23.01.2012 09:59
Horst hat die Lederhosen an
Kolumne auf stern.de vom 22. Januar 2012

Angela Merkel ist wirklich ein Glückskind. Sie weiß: Wer sich in der heutigen Zeit allzu lautstark für die Eurozone und für den deutschen Bundespräsidenten einsetzt, hat wahrlich schlechte Karten beim Wählervolk. Merkel aber legt stündlich zu in den Umfragen. Wieso? Weil sie erfolgreich abgetaucht ist. In Sachen Euro lässt sie die Troika einfach machen. In Sachen Wulff ist sie auf Maximaldistanz gegangen.
Die Implosion der FDP interessiert sie ohnehin nicht. Dennoch muss sie sich um die politische Lufthoheit im Lande keine Sorgen machen. Wenn es brenzlig wird, übernimmt nämlich der Vizevizekanzler Seehofer gerne das Kommando. Und Merkel kann sich gemächlich zurücklehnen, weil der bayerische Ministerpräsident mit Besonnenheit und ruhiger Hand die Geschicke der Bundesregierung moderiert.

Weil sich Seehofer sehr für das Große und Ganze interessiert, nimmt er sich aktuell mal die Finanzen im Allgemeinen und den Länderfinanzausgleich im Besonderen vor. Er ist immerhin der erste Politiker, der eine große Abneigung gegen Staatschulden hegt. Und vor allem gegen Freistaatsschulden. Und so hat er nun proklamiert: Bayern muss schuldenfrei werden. Das hat standesgemäß zu großer Verblüffung innerhalb der Politikerkaste geführt. Ob er denn nicht eher Neuverschuldung meine, hat man ihn gefragt. Nein, so Seehofer, schon die Staatsschulden. Und zwar komplett. Das hat nicht unbedingt zur Entwirrung beigetragen. Nur mal so zum Vergleich: Schäuble landet schon in der Euphorietretmühle, wenn die Neuverschuldung unter 50 Milliarden Euro liegt. Mittels Schuldenbremse will der Finanzminister insgesamt die Staatsschulden im Griff haben. Pro Jahrzehnt soll nicht mehr als nur eine Billion auf die schon existierenden Schulden draufgesattelt werden. Mehr Vernunft im Umgang mit Geld darf man eigentlich einer Bundesregierung nicht zumuten. Welcher Fiskalteufel mag den Seehofer da denn geritten haben?

Nun, Besonnenheit war schon immer eine Stärke von Seehofer. Wenn er nun ein schuldenfreies Bayern ankündigt, ist das nicht nur populistisches Wunschdenken. Der Zeitraum, den er sich setzt, ist in jeder Hinsicht überschaubar. 2030 soll Bayern in die schwarzen Zahlen rutschen. Wenn ein hochrangiger Politiker nicht mal die nächsten 18 Jahre politisch und wirtschaftlich einschätzen kann, was denn bitte dann? Vielleicht hat sich Deutschland zu sehr daran gewöhnt, dass Merkel das Regieren nur als Tagesgeschäft im wahrsten Sinne des Wortes begreift und damit gut fährt. Da kommt ein Sonnyboy wie Seehofer, für den Staatserhalt immer weit wichtiger als Machterhalt war. So ganz nebenbei wird der bayerische Wähler befreit von der Frage, bei wem er denn bei den Wahlen bis 2030 sein Kreuzchen zu machen hat. Wer nicht CSU wählt, wählt ja quasi indirekt die Staatsverschuldung.

Erfrischenderweise geht es Seehofer nicht nur um das Wohl Bayerns.
Auch der Rest Deutschlands soll von der Pein der Schulden befreit werden. Besonders Berlin ist dem Horst ein großes Anliegen. Die Bundeshauptstadt soll, wenn es nach dem CSU-Chef geht, ebenso fiskalisch auf die Beine komme. Arm und sexy geht halt nun mal nicht.
Darum hat Seehofer nun eine gute Idee aufgebracht: Bayern zahlt nicht mehr so viel Geld in den Länderfinanzausgleich. Und Berlin soll mit dem selber erwirtschafteten Geld auskommen, weil das viel besser ist für das Selbstvertrauen einer Weltmetropole. Ganz konkret in Zahlen:
Bayern zahlte 2011 ungefähr 3,6 Milliarden in den Topf. Berlin bekam drei Milliarden. Manch einer bezeichnete deshalb die Berliner schon als die Griechen Deutschlands. Was jedoch von Graekologen wie auch Berlinoiden sofort zurückgewiesen wurde.

Die Grundüberlegung von Seehofer entbehrt aber nicht unbedingt einer gewissen Logik. Noch zehn Jahre bayrischer Alimentierung für Berlin und schon steht Bayern im Berliner Grundbuch als Mehrheitseigentümer drin. Das wiederum ergäbe nur Kalamitäten mit der EU, die sich ja schon aufführt, nur weil das Land Niedersachsen eine Sperrminorität bei VW hält. Abgesehen davon hat die CSU wissen lassen: selbst bei einer wiedererlangten absoluten Mehrheit in Bayern bestehen keinerlei Ambitionen auf außerbayerische Kolonien. Und selbst wenn, dann bitte nicht so nah an Polen.

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