13.02.2012 12:21
Griechen - lernt von Wulff!
Kolumne auf stern.de vom 13. Februar 2012

Langsam hat es sich herumgesprochen: Die EU ist ein großartiger Versuch, 27 Legasthenikern das Analphabetentum beizubringen. Gut, der Vergleich hinkt gewaltig, weil echte Legastheniker sich tagtäglich richtig Mühe geben, um Fuß zu fassen im wahren Leben. Das verdient aufrichtigen Respekt. Und zeigt gleichzeitig, dass das mit den EU-Strategen nichts gemein hat. Denn die wissen nur partiell, was das wahre Leben ist. Von Mühe geben mal ganz zu schweigen. Obwohl: Sie geben sich schon richtig Mühe, weil es ja darum geht, ein perfides Konstrukt als Meisterleistung hinzustellen. Wobei natürlich auch mal gesagt werden muss: Es spricht nichts gegen perfide Konstrukte. Sie zaubern der Allgemeinheit oft ein Schmunzeln auf die Lippen oder Bewunderungsfalten auf die Stirn. Die Erkenntnis der Woche lautet daher: Frau Merkel und Herr Sarkozy haben beschlossen, den Untergang Griechenlands zu verschieben. Merkel muss noch vorher einen Bundespräsidenten entsorgen. Sarkozy muss sich bei der nächsten Wahl noch selber entsorgen. Dann ist wieder die nötige Ruhe eingekehrt auf dem politischen Parkett, um der Rückkehr von Drachme, Olivenzucht und Strandbau den Boden zu bereiten.

Seit zwei Jahren doktert man nun herum an den griechischen Verhältnissen. Und je mehr Geld nach Griechenland fließt, je höher die Schuldenschnitte ausfallen, umso gewaltiger wachsen die Staatsschulden und die jährlichen Haushaltsdefizite an. Irgendwas läuft da gewaltig schief. Und weil die Griechen keine dummen Leute sind, rechnen sie einfach mal nach und stellen fest: Da besteht ein unguter Zusammenhang, der nicht länger hinzunehmen ist. Zumal die griechischen Regenten ihren Part solide erfüllen: Sie versprechen dauernd Dinge, die sie gar nicht einzuhalten gedenken. Mehr ist im Moment nicht möglich. Und eigentlich auch nicht nötig. Denn es wird immer genug Geld fließen. Merkel hat es eben gerne, ein paarmal angebettelt zu werden. Das ist ihre Art von Solidarität. Das große Glück der Griechen ist, dass andere EU-Staaten kaum weniger darben. Sollten sich portugiesische oder spanische Politiker genauso ambitioniert verhalten wie die Athener Kollegen, werden noch jahrelang Euros statt Eulen nach Athen getragen. Das hat den Vorteil, die Blasenbildung ein bisschen abzuschwächen. Banken kriegen ja derzeit ein Schweinegeld zu Schweinekonditionen, nur damit sie sich davon Staatsanleihen kaufen.
Im Prinzip müssen sich alle EU-Staaten allein schon deshalb weiter verschulden, damit die neuen Anleihen nicht in der Warteschleife landen.

Das alles mag der griechische Wirtschaftsminister im Kopf gehabt haben, als er vor ein paar Tagen mit einer oberflächlich betrachtet kühnen These daherkam: Am Desaster der Griechen sei die EU schuld. Die EU-Scharlatane hätten nämlich aus Brüssel jahrzehntelang Subventionen auf Griechenland abgefeuert, bis das Land unter dieser Last zusammenbrach. Jetzt weiß man ja auch aus der näheren deutschen Geschichte (Photovoltaik, Ostimmobilien), dass Subventionen Geldflüsse basierend auf politischer Willkür oder neurotischer Realitätsverdrängung sind. Auf internationaler Ebene ist das nicht anders. Die Griechen aber zogen aus den EU-Subventionen die richtigen Schlussfolgerungen. Statt produktiv tätig zu sein, verfrühstückten sie lieber das Geld aus Brüssel. Ein ganzes Land wurde sozusagen gemästet und angefixt. Und urplötzlich soll das jetzt nicht mehr gehen? Zu recht befürchten die Griechen, dass das Land ihnen entgleitet. Schlimm genug. Doch wer am 11. Februar aufmerksam die beliebteste Boulevardzeitung Deutschlands gelesen hat, bekam erstaunlichen Einblick in die Eigentumsverhältnisse: Vicky Leandros, die griechische Antwort auf Nana Mouskouri, spricht da von ihrem Griechenland. Die Benutzung des Possessivpronomens sollte stutzig machen. Die reichen Griechen haben jahrelang Steuern hinterzogen und Milliarden ins Ausland gebracht. Und der traurige Rest gehört also Vicky Leandros.
Doch auch ihr Vertrauen in ihre Heimat scheint nicht grenzenlos gewesen zu sein. Ihr größter Hit war nämlich Theo, wir fahr´n nach Lodz. Das war 1974! Und schon damals lag Lodz nicht irgendwo auf der Peloponnes, sondern in Polen. Außer dem Fußballidol Grzegorz Lato hatte Polen seinerzeit nicht viel zu bieten. Lech Walesa grummelte noch leise vor sich hin statt einen auf Radau zu machen mit seiner Solidarnosc. Lodz galt auch nicht gerade als das Las Vegas der Slawen.
Dennoch zog es Vicky Leandros weder nach Kreta noch nach Saloniki, sondern nach Lodz. Sie wusste wohl damals schon, dass in Sachen Wettbewerbsfähigkeit und Produktivitätsfortschritt die Polen den Griechen den Rang ablaufen würden.

Wenn sich Griechenland nun gut stellen will mit der deutschen Kanzlerin, die neuerdings auch Juryvorsitzende von Europa ist, muss sich der stolze Mittelmeerstaat fragen: Was kann man tun, um das Wohlwollen der Kanzlerin zu gewinnen?

Vor ein paar Tagen ließ Merkels Sprachrohr Seibert verlauten, Merkel schätze die Arbeit des Bundespräsidenten. Was kann Griechenland von Wulff lernen? Nun, Wulff liegt dem Staat nicht komplett auf der Tasche, sondern lässt sich hauptsächlich von guten Freunden aushalten.
Das nennt sich Public Private Partnership. Üblicherweise wird dieses Geschäftsmodell im Autobahn- oder Tunnelbau angewandt, wenn der Staat wieder mal klamm ist. Und das ist er ja meistens. So hat es Wulff jederzeit vermeiden können, zwecks Konsum Schulden zu machen. Wenn Griechenland diese Methode konsequent anwendet, muss man sich um die Zukunft der Hellenen keine Sorgen machen. Panik ist erst angebracht, wenn Wulff wackelt. Darauf deutet aber bis auf Weiteres überhaupt nichts.

Zurück