02.03.2012
Sudokugate
Nachgetreten vom 02. März 2012

Wenn ein Bundesfinanzminister nicht mal in aller Öffentlichkeit von den Medien in Ruhe gelassen wird, ist das eigentlich Skandal genug.
Aber scheinbar immer noch nicht genug für die ARD. Denn der Staatssender, der eigentlich im selben Boot sitzt wie der Staatsminister, zoomte unlängst peinlich scharf auf das IPad von Schäuble. Das wäre auch nicht weiter schlimm gewesen, hätte der Finanzminister die parlamentsüblichen Nacktbilder und Softerotikfilme auf dem Display gehabt. Aber Schäuble spielte Sudoku. Und zwar auf einem sehr hohen Level. Damit macht er sich angreifbar. Nun kann er niemandem mehr weismachen, er könne die Zusammenhänge zwischen diversen Zahlen nicht präzise erkennen. Das war nämlich bisher sein größter Trumpf im Kampf mit beziehungsweise gegen Griechenland. Noch nie waren die Grenzen zwischen mit und gegen so fließend. Und Schäuble konnte sich bisher immer auf eine gewisse Unübersichtlichkeit hinausreden. Die Zeiten sind nun endgültig vorbei.

Es ist unredlich, nun gegen Schäuble zu stänkern, weil er während der Arbeitszeit ein intelligentes Spiel spielt. Denn im Plenum wurde gerade über Wirtschaftshilfen für Griechenland debattiert. Und Schäuble weiß, dass es da gar nichts zu debattieren gibt, weil die Hilfen sowieso ohne Wenn und Aber fließen werden. Und noch besser weiß er, dass das nicht mal den Griechen etwas bringen wird. Selbst Mathematikwissenschaftler bezeugen, wie sehr Sudoku den Sinn für Zahlen schärft. Dieses Spiel, auch bekannt als Kreuzworträtsel für Analphabeten, sollten eigentlich alle Abgeordneten beherrschen. So würden sie wesentlich früher erkennen, welch absurdes Zeug Woche für Woche im Bundestag beschlossen wird. Und die Kritiker, die sich jetzt aufregen, haben auch keinerlei Hinweise gegeben, welche Spiele denn Schäuble stattdessen spielen soll. Mensch, ärgere dich nicht würde zwar auch zur Griechenland-Diskussion passen. Ist aber doch eine Spur zu banal. Abgesehen davon wird da gewürfelt. Bewusste Fehlentscheidungen (auch bekannt unter: politisch gewollt) können da leicht ausgehebelt werden vom Zufall.

Glücklicherweise kam die ARD nicht ungeschoren davon in der Causa Sudokugate. Das Bundestagspräsidium machte den Sender auf die Hausordnung aufmerksam. Und dort steht, dass ohne Autorisierung keinerlei persönliche Unterlagen abgelichtet werden dürfen. Schon gar nicht so, dass es von Flensburg bis Meran für Jedermann zu lesen ist.
Hätte Schäuble selber offen auf seine Sudoku-Leidenschaft hingewiesen, wäre er schnell als Streber und Angeber gebrandmarkt worden. So aber wollte er alles sehr diskret handhaben, während die Kollegen sich lächerlich machten. Sie taten nämlich so, als ob deutsche Parlamentarier die Wahl hätten, ob man den Griechen nun nochmal 130 Milliarden auf dem Tablett serviert oder nicht. So eine Farce hat Schäuble nicht nötig. Da ist er Manns genug, um die Zeit sinnvoller zu nutzen. Zudem sind weitaus spektakulärere Dinge erlaubt im Plenarsaal:
SMS verschicken, Zwischenrufe, Beifall, Akten-Bearbeitung und das Lesen von Unterlagen. Soll heißen: Wer seine Arbeit erst während der Sitzung erledigen oder einfach nur pöbeln will, ist herzlich willkommen. Wer einfach nur drinsitzen und konzentriert zuhören will, ist wohl im Kino besser aufgehoben. Oder in Sitzungen, in denen es nicht um Griechenland geht. Und bevor noch mehr Missverständnisse aufkommen, sei noch deutlich gesagt: Nicht jeder, der ein Sudoku-Ass ist, muss deutscher Finanzminister werden. Und nicht jeder Finanzminister muss mit Zahlen umgehen können. Sonst wären ja die Rettungsschirme völlig umsonst. Aber Schäuble ist klug genug, um zu wissen:
Umsonst sind die Rettungsschirme zwar nicht, aber extrem vergeblich.

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