04.10.2011
kicker Abpfiff - Oktober 2011
Kolumne im kicker vom 04. Oktober 2011

Wenn Deutschland gegen die Türkei spielt, ist das immer eine spannende Angelegenheit. Von Normalität kann da nicht die Rede sein kann.
Strenggenommen müsste sich Deutschland ohnehin weigern, überhaupt sich mit der Türkei zu duellieren in einer EM-Quali. Frau Merkel betont schließlich bei jeder Gelegenheit, dass die Türkei mit Europa so viel zu tun hat wie der Euro-Rettungsschirm mit wirtschaftlicher Vernunft.
Aber gespannt ist die Öffentlichkeit ohnehin viel mehr auf die Kanzlerin selber als auf den Ausgang des Spiels. Wird Merkel nochmal mit Fotografen in die Kabine reinmarschieren nach dem Schlusspfiff und Mesut Özil das Handtuch von der Hüfte reißen? So war es ja nach dem letzten Duell in Berlin. Eine in die Kameras grinsende Kanzlerin und daneben ein nackter Türke mit deutschem Pass. So stellt sich die Kanzlerin gelungene Integration vor. Denn verklemmt ist Merkel wahrlich nicht. Noch heute erinnern sich viele Ästheten an den legendären Auftritt der Kanzlerin in Bayreuth. Bei den dortigen Festspielen hatte es Merkel doch tatsächlich mal gewagt, mehr oder weniger oben ohne zu erscheinen. Das wäre einem Schröder oder Kohl nie in den Sinn gekommen. Von Adenauer ganz zu schweigen. Genauso wenig würde wohl der türkische Premierminister Erdogan nach einem Damenländerspiel die Kabine betreten, um sich mit nackten Spielerinnen fotografieren zu lassen.

Deutschland-Türkei ist also längst eher ein Thema für den Boulevard statt für die Sportseiten. Und vielleicht auch für die Soziologie.
Scheinbar dauert es nicht mehr lange und auf deutscher Seite spielen eigentlich nur noch Türken, während die Türkei mit eingetürkten Spielern aus Brasilien, Mazedonien und Bulgarien aufläuft. Bei der U17-WM spielten acht Türken in der deutschen Startelf! So nähert sich der internationale Fußball auch immer mehr den Gepflogenheiten der internationalen Schifffahrt. Dort ist es längst üblich, dass deutsche Schiffe unter der Flagge von Panama starten. Warum? Weil es bequemer ist! Und billiger sowieso. Es bringt ja auch nichts, die U17-Türken für die türkische Nationalelf abzustellen, weil die meisten Buben nicht mal türkisch können. Da ist es wesentlich sinnvoller, wenn DFB-Nachwuchscoach Hrubesch die Jungs Paroli laufen lässt. Das verstehen sie zwar auch nicht, aber wenigstens auf deutsch.

Jedenfalls wird auch das kommende Duell wieder ein Völkerverständigungsfest werden. Eigentlich könnte Jogi Löw gleich die U17-Elf auflaufen lassen. Damit die Jungs wissen, was für sie der Plan B ist, wenn es beim DFB mal nicht klappt. Derweil ist der türkische Verband mit einem Manipulationsskandal beschäftigt. Angeblich soll es Vereine geben, die keine Spiele verschoben haben. Unglaublich!

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