02.11.2020 13:17
kicker Abpfiff – November 2020
Kolumne im kicker vom 02.11.2020

 

Wenn RB Leipzig als Tabellenführer der Bundesliga zum Auswärtsspiel  
bei einem tabellentechnisch mittelprächtigen Verein wie Manchester  
United antritt, ist die Erwartungshaltung klar: Alles andere als ein  
klarer Leipziger Sieg wäre ein Beleg für Schiebung seitens der  
Wettmafia. Wenn aber – wie leider geschehen – die Rasenballer gleich  
mit 0:5 untergehen, kann es weder am Schiedsrichter noch am Platzwart  
gelegen haben. Woher kommt diese Verunsicherung eines deutschen  
Spitzenteams? Und ist es wirklich Zufall, dass parallel dazu Borussia  
Mönchengladbach bis kurz nach Abpfiff noch 2:0 führt gegen ein  
konfuses Real Madrid, nur um dann kurz nach der Pressekonferenz noch  
den Ausgleich hinzunehmen? Rein sportlich lassen sich solche Phänomene  
nicht erklären. Irgendwas muss sich also in die Psyche deutscher  
Spitzenvereine geschlichen haben. Sowohl die Dosenballer als auch die  
Borussen haben kluge Leute im Management. Und diese Manager platzten  
zu Wochenbeginn mit einer Horrorbotschaft in die Kabine: Christian  
Seifert schmeißt hin! Der DFL-Chef, der seit 15 Jahren dafür sorgt,  
dass automatisch immer mehr Geld in die Kassen der Profivereine kommt.  
Dass Seifert keinen Bock mehr auf Fußball hat, ist ein Fanal. Denn er  
war in seinen Jahren an der DFL-Spitze auch stets eine Art Barometer  
für den Zustand der Bundesliga. Und Seifert hat ein ausgeprägtes  
Gespür dafür, wann der Drops gelutscht oder die Luft aus dem Ball raus  
ist. Bevor Seifert zur DFL kam, war er nämlich Vorstandsvorsitzender  
bei KarstadtQuelle. Den Job hat er nur ein Jahr gemacht. Weil er  
schnell gesehen hat: Der Laden ist im Eimer – und der Eimer selber ist  
auch schon sehr löchrig. Und heute? Beim nächsten Fernsehvertrag  
werden viele Tränen fließen. Optimisten schätzen: Er wird deutlich  
niedriger dotiert sein. Pessimisten befürchten: Die Bundesligisten  
müssen den TV-Sendern eine Schutzgebühr zahlen für die  
Übertragungsrechte. Wenn Seifert nun seinen Abschied verkündet, hat er  
also schon mal ehrlich nachgerechnet. Und festgestellt: Bald ist die  
ganze Bundesliga finanziell da, wo Schalke heute schon ist. Quasi back  
to the roots. Traditionalisten werden jubeln: Das Comeback von Peter  
Neururer rückt immer näher.

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