07.11.2011
kicker Abpfiff - November 2011
Kolumne im kicker vom 07. November 2011

Dass Schiedsrichter mal ein Spiel verpfeifen, ist Normalität. Ein unberechtigter Elfmeter. Ein ausbleibender Abseitspfiff. Ist zwar ärgerlich. Aber passiert. Dass sich Schiedsrichter gegenseitig verpfeifen, ist da schon ein anderes Kaliber. Das ist zwar nicht ärgerlich. Aber passierte jetzt trotzdem. Dem Fußball tut das natürlich gut. Solange Manfred Amerell frei herumläuft, muss man sich keine Sorgen um das deutsche Schiedsrichterwesen machen. Das ergänzt sich auch prima mit Theo Zwanzigers Lieblingsressort Aufrichtigkeit & Heiligenschein. Judikative und moralische Instanz sind fein säuberlich getrennt. Mauscheleien sind de facto unmöglich. Amerell und Zwanziger verzichten aus systemischen Erwägungen heraus auf zu engen Kontakt.
Diese Konstellation ist weltweit einmalig.
Wie sehr sich Amerell für ein sauberes Schiedsrichtertum einsetzt, kann gar nicht genug gewürdigt werden. Schließlich macht er das alles ehrenamtlich. Er belässt es nicht nur bei dem sicheren Tipp an die Steuerbehörden. Nein, er organisiert auch gleich die Medienarbeit. Und ist als Gesamtkoordinator vor Ort, wenn die Fahnder bei den Schiedsrichterkollegen schellen. Das ist Multitasking pur. Der DFB beispielsweise würde für die gleiche Aktion mindestens sieben Mitarbeiter plus eine externe Agentur einsetzen. Egoismus ist nicht der Antrieb des Manfred Amerell. Sonst hätte er ja diverse Daten auf CD gebrannt und gegen die übliche Schutzgebühr von fünf Millionen Euro an die Staatsanwaltschaft Bochum übergeben. Hier stellt sich natürlich die Frage: Ist es für einen Schiedsrichter verwerflich, sich die Honorare der FIFA auf Konten in der Schweiz oder in Liechtenstein transferieren zu lassen? Wenn die FIFA was innerhalb der Schweiz überweist, spart das schon mal Kosten. Wer sollte das besser wissen als Kempter, der in der Sparkasse arbeitet? Wer für einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld plädiert und dann mit Auslandsüberweisungen prasst, betont nicht gerade seine charakterliche Eignung. Ganz abgesehen davon ist ein Schiedsrichter neutral, so dass ein Konto in einem neutralen Land wie der Schweiz Bedingung für die FIFA-Zulassung sein dürfte. Und dass eine neutrale Leistung auch steuerlich neutral zu behandeln ist, weiß jeder Buchhalterlehrling.
Außerdem genießt die FIFA überall Steuerfreiheit. Ein Land, das die WM ausrichtet, muss traditionell auf die Mehrwertsteuer bei den Tickets verzichten. Wenn also die FIFA Schiedsrichter bezahlt, kann sie das nicht von der Steuer absetzen. Das wiederum bedeutet gemäß Doppelbesteuerungsabkommen: Was der eine nicht absetzt, kann der andere nicht versteuern. Sonst entsteht ein klassisches Außenhandelsdefizit. Und wo das hinführt, sehen wir in Griechenland.

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