04.06.2018 18:41
kicker Abpfiff - Juni 2018
Kolumne im kicker vom 04. Juni 2018
Seit dem Champions League Finale gelten Liverpools Torhüter Karius und der Stürmer Salah als tragische Figuren. Vielleicht ist der Begriff Tragödie in diesem Kontext übertrieben. Die beiden Berufssportler hatten eigentlich lediglich Pech. Und zwar das Pech, auf dem selben Rasen agiert zu haben wie Sergio Ramos. Und das auch noch zur exakt selben Zeit. Das kann man schon machen. Aber dann sollte man das gleiche Vereinsemblem auf der Brust haben. Sonst wird es ungemütlich.  
Jedenfalls kann nüchtern bilanziert werden: Salah und Karius können froh sein, dass sie nicht berufsunfähig sind nach den Attacken von Ramos. Ansonsten sollten sie jetzt Urlaub machen und sich dann die wenigen ernsthaften Gruppenspiele bei der WM anschauen.
Das wahre Drama in Kiew spielte sich nämlich bei Cristiano Ronaldo ab.  
Die Frisur blieb zwar das ganze Spiel über halbwegs intakt. Aber alles andere ging richtig in die Binsen: Der spektakulärste Spieler auf dem Feld war Teamkollege Bale. Der beste Spieler war Marcelo. In spätestens einer Woche wird sich niemand mehr erinnern, ob Ronaldo überhaupt mit von der Partie war. So ungerecht kann nur der Fußball sein: Kaum ist man in einem wichtigen Spiel abgetaucht, entpuppen sich die eigenen Vereinskameraden als Kameradenschweine und führen die Truppe zum Sieg. Woher Bale und Marcelo diese Chuzpe haben, weiß kein Mensch. Vielleicht wollten sie nur Ronaldo demütigen, nachdem das die Liverpool-Spieler nicht hinkriegten. Genau deshalb bedankte sich Ronaldo direkt nach dem Spiel für die schöne Zeit in Madrid. Da ging es ihm gar nicht um seinen Abschied. Sondern um den Umstand, dass Real auch ohne ihn große Titel gewinnen kann. Selbst wenn er dabei ist. Das klingt furchtbar schizophren. Und ist es für CR7 auch. Aus seiner Sicht hat ein Verein, der nicht auf ihn angewiesen ist, keine Daseinsberechtigung. Als ob es nicht peinlich genug für Ronaldo ist, dass Messi und Neymar mehr als das Doppelte von ihren Vereinen kassieren. Um finanziell mitzuhalten, muss Ronaldo sogar seit Jahren als Unterhosenmodel arbeiten. Viel prekärer geht es nicht.
Doch auch CR7 ist nur ein Mensch. Auch er hat eine Würde. Daran sollten Bale und Marcelo denken beim nächsten Finale.
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