03.06.2014
kicker Abpfiff - Juni 2014
Kolumne im kicker vom 02. Juni 2014

Eine WM in Brasilien ist kein Zuckerhutschlecken. Das Klima dort ist im Sommer noch stärker abhängig vom Wetter als in Europa. Die meisten Einheimischen und Gegenspieler sprechen kein Deutsch. Zu viele Teams entwickeln einen ungesunden Drang zur Selbstdarstellung und wollen das Turnier gewinnen. Und vom Biorhythmus her ist der Körper ohnehin auf Sommerpause eingestellt. Dass just unter diesen Bedingungen eine deutsche Mannschaft Weltmeister werden soll, ist an sich hanebüchen.
Dass die DFB-Truppe tatsächlich auch Weltmeister werden will, ist ihr gutes Recht. Wenn der Sommer eh schon verhunzt ist, macht so ein Turnier psychosomatisch mehr Sinn als ein Relegationsspiel gegen den HSV. Ein Meisterpsychologe wie Jogi Löw weiß daher: Wenn er das Trainingslager jetzt wieder so wellnesslastig gestaltet wie bei den vorherigen Turnieren, kommt spätestens im Halbfinale der Burnout. Und wenn gestandene Fußballnationen das Finale bestreiten, sitzen deutsche Wohlstandskicker längst mit Riesenkopfhörern am Riesensmartphone und konfigurieren den nächsten Dienstwagen oder googeln die nächste Spielerfrau.

Damit sich so etwas nicht wiederholt, setzt Löw diesmal verstärkt auf Typen, die sich für nichts zu schade sind. Kevin Großkreutz musste zwar eine stattliche Summe an Strafe zahlen für seine respektable Tat in der Hotellobby. Doch dürfte er mindestens das Doppelte davon vom DFB als Sonderprämie bekommen haben. Denn eines ist klar: Nur wer schwer besoffen an Hotelsäulen pinkelt, hat auch den Schneid, in der 88.Minute ohne Alkohol da hinzugehen, wo es weh tut. Natürlich ist Großkreutz nicht der Liebling der Schwiegermütter. Doch hier geht es um eine WM und nicht um eine Sat1-Castingshow. Wie steht es um die Mensch gewordenen Schwiegermütterträume a la Gomez, Khedira, Lahm oder Neuer? Nicht dabei oder verletzt oder beides. Löw selber will es nicht nur bei Parolen belassen, sondern bringt auch selber sein Drecksackpotenzial zur Geltung. Dass er sich nicht um Tempolimits schert, passt zu seiner offensiven Spielphilosophie. Und so demonstriert er seinen Spielern plastisch, dass sie Grenzen überschreiten müssen, um den anderen einen Schritt voraus zu sein.
Warum bei einem DFB-Trainingslager ein als Werbedreh getarntes Autorennen stattfinden muss, konnte bislang noch nicht schlüssig erklärt werden. Vielleicht sollte sich der DFB da von der FIFA beraten lassen. Sepp Blatter hätte längst erklärt: Der Unfall passierte nicht beim Beschleunigen, sondern beim Bremsen! Ein bisschen kurz kommt bei all der Aufregung DFB-Manager Bierhoff. Er konnte bislang nichts Spektakuläres beisteuern. Das lässt ihm keine Ruhe. Also nicht wundern, wenn Olli B. demnächst ins Auto von Kevin G. pinkelt.

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