06.06.2012
kicker Abpfiff - Juni 2012
Kolumne im kicker vom 04. Juni 2012

Manipulation ist wohl das derzeit überstrapazierteste Wort im Fußball.
Darum wird es Zeit, Manipulation zum offiziellen Partner des Fußballsports zu erklären. Das würde jede Menge Phantomdiskussionen in der Zukunft vermeiden. Ohne Manipulation geht es einfach nicht, auch wenn es FIFA-Boss Blatter partout nicht begreifen will. Bei der bevorstehenden EM sind zum Beispiel sämtliche Schwarzmarktpreise für Spiele in der Ukraine manipuliert. Wenn die Schwarzhändler die Tickets zu einem Bruchteil des ursprünglichen Preises anbieten und somit bewusst Verluste in Kauf nehmen, riecht das förmlich nach Schiebung.
Bei der WM 2022 in der Fußballhochburg Katar wiederum plant man, das Klima zu manipulieren. Andernfalls drohen nämlich Fußballer umzukippen, weil sie sich in der Sonne bewegen. Und natürlich auch noch viel mehr Zuschauer, weil sie unbeweglich in der Sonne sitzen.

Ein bisschen übertrieben wirkt momentan vor allem die operative Hektik, wenn es um die Manipulationsvorwürfe in Italien geht. Es gibt keinen einzigen ernsthaften Hinweis, dass irgendein Italiener auf den Verbleib von Hertha BSC in der Bundesliga gewettet hätte. Völlig anders gelagert wäre die Angelegenheit, wenn beispielsweise ein Serie A-Spieler zehn Euro darauf setzt, dass Preetz Manager der Berliner bleibt. Da würden sofort die Sirenen bei Betradar auf Daueralarm umschalten. Schließlich hat Preetz im Sportmanagement so viel verloren wie Boateng im eigenen Strafraum bei gegnerischem Eckball in der 88. Minute. Keinesfalls der Manipulation verdächtig sind wiederum Leute, die auf ein Kopfballtor von Drogba wetten, wenn Boateng auf ihn aufpassen soll. Da ist eher von sehr mauen Quoten auszugehen, wenn nicht gar von einer Negativrendite.

Abgesehen davon betreiben Italiener Manipulation nie aus krimineller Gier heraus, sondern eher aus Motivationsgründen. Bei der WM 1982 war ein gewisser Paolo Rossi der Superstar und schoss die Azzurri im Alleingang zum Titel. Weil er etwa aufgrund herausragender Leistungen in der Liga gesetzt war? Nein, weil er vor der WM zwei Jahre gesperrt war. Wer nach so einer Zwangspause wieder auf den Platz darf, legt seine ganze Lebensenergie in so ein Turnier. Ebenso war ein weiterer sogenannter Manipulationsskandal wesentlicher Bestandteil der Vorbereitung zur WM 2006. Der Ausgang der Veranstaltung ist hinlänglich bekannt. Wer also WM- oder EM-Titel gewinnen will, muss nicht unbedingt mehr trainieren als die anderen. Das erklärt auch, warum Löw die verkorkste Vorbereitung nicht als Alibi gelten lassen will, falls die EM in die Hose geht. Eventuell lässt er sogar Boateng spielen. Falls es keine Eckbälle in den Schlussminuten gibt. Aber wer will schon darauf wetten?

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