02.12.2019 11:37
kicker Abpfiff - Dezember 2019
Kolumne im kicker vom 02. Dezember 2019

Große Veränderungen gehen mittlerweile von der Basis aus. Das führt  dazu, dass auch die Bundesregierung nicht mehr selber agiert. Sondern nur noch als Getriebene auf den Druck von unten reagiert. Wesentlich eleganter macht es die Führung des FC Bayern. Die behält zwar stets die Zügel in der Hand. Gleichzeitig gönnt die Chefetage den Spielern eine relativ lange Leine. So darf die Mannschaft einmal pro Quartal darüber abstimmen, ob der Trainer tags drauf noch zur Arbeit erscheinen soll. Diese Art Basisdemokratie funktioniert natürlich nur, wenn sie sich durch Erfolge legitimiert. Und so hat der Bayern-Kader entschieden: Einem neuerlichen Engagement von Niko Kovač bei Hertha BSC will sie nicht im Wege stehen. Kovač ist ja nicht nur gebürtiger Berliner. Er spielte auch acht Jahre bei Hertha. Da soll einer nochmal  behaupten, Fußballer seien nur geldgierige Egomanen! Gerade für Bayern-Spieler hat das Wohl des Trainers oberste Priorität. Was auch erklärt, weshalb Jupp Heynckes gefühlt alle zwei Jahre auf der roten Trainerbank Platz nahm.
Kovač war stets auf das Treiben auf dem Rasen fokussiert und hat daher diese mitfühlende Seite der Bayern-Stars nie so richtig genießen können. Und doch haben Müller & Co. Wert darauf gelegt, dass Niko Kovač sich ein Wellness-Halbjahr gönnen kann, bevor er sich seinem abstiegsbedrohten Heimatverein widmet. Unumstritten ist der Nutzen, den Kovač dem FC Bayern gebracht hat: 
Borussia Dortmund ist aus dem Tritt, seit Kovač an der Säbener Straße auftauchte. Trotz immenser Investitionen bringen die Borussen ihr großes Potenzial nicht mehr zur Geltung. Trainer Favre dringt mit seiner Idee, aus einer leichtsinnig agierenden Offensive heraus die eigene Defensive zu destabilisieren, nur unzureichend durch. Gleichzeitig verblüfft Übergangsmann Hansi Flick mit einer simplen Vorgabe an seinen Luxus-Kader: Immer mindestens drei Tore mehr schießen als der Gegner, aber selber kein einziges Tor kassieren. Wie die Spieler das machen, ist – Stichwort lange Leine – den Spielern überlassen. Dabei wurde Flick zunächst als jämmerliche Notlösung hingestellt. Was aber als chaotische Strategie verunglimpft wurde, ist in Wahrheit eine durchdachte Flickschusterei.

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