01.04.2019 14:52
kicker Abpfiff - April 2019
Kolumne im kicker vom 01. April 2019

Außer negativen Rekordwerten hatte Jogi Löw nicht viel zu bieten zuletzt. Doch der Sieg in den Niederlanden zeigt: Selbst das verkorkste Jahr 2018 war weder ein Versehen noch ein Beleg für das nahende Ende der Ära Löw, sondern ein einkalkulierter Baustein in einem großen Plan. Besserwisser stellen natürlich längst Milchmädchenrechnungen auf, in denen ein WM-Einsatz von Sané mindestens mit dem Finaleinzug belohnt worden wäre. Aber die Faktenlage spricht für die endlose Weisheit des Bundestrainers. Was war der Grund für die Ausbootung von Sané aus dem WM-Kader? Seine Trainingsleistungen beim DFB waren ausbaufähig und ebenso seine Sozialkompetenz. Das Ganze garniert mit leichten atmosphärischen Störungen bedingt durch die Causa Özil. Der Aufschrei von 80 Millionen Bundestrainern wäre garantiert gewesen. Alle hätten sich ans Hirn gelangt, weil Jogi auf mürrische Bling-Bling-Buben setzt, denen die Sprintwerte ihres Lamborghinis wichtiger sind als die Laufwege auf der Kreidetafel des Bundestrainers. Damit hätte sich Leroy Sané langfristig rauskatapultiert und zum Buhmann der Fußballnation gemacht.
So aber steht Löw als großer Stratege da, der den Umbruch erfolgreich bewältigt. Und das unter nun vereinfachten Voraussetzungen.
Schließlich gehen alle Gegner nun unterbewusst lasch in eine Partie gegen Germany. Die Szene vor Gnabrys Tor zum zwischenzeitlichen 2:0 zeigt dies deutlich auf. Der laut Fachpresse beste Verteidiger der Welt namens van Dijk machte null Anstalten, Gnabry an der Ausübung seines Berufs zu hindern. Der Abwehrmann trabte im Wellness-Modus nebenher, weil er fest damit rechnete, dass Gnabry entweder die Kontrolle über den Ball, die Orientierung oder die Lust am Sport oder alles zusammen verliert. Der gleiche van Dijk sorgte paar Tage zuvor noch für das Ausscheiden des FC Bayern in der Champions League. Dabei beließ er es nicht nur bei seinem Basisauftrag Defensive, sondern betätigte sich auch noch nebenberuflich als Torschütze. Warum? Weil van Dijk wusste, dass die Bayern sich nicht allzu stark wehren würden gegen ein Weiterkommen. Gut, gegen das Ausscheiden hat sich der FC Bayern auch nicht allzu stark gewehrt. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

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