26.06.2020 15:41
Wirecard: Auch im Absturz spektakulär
Kolumne im Donaukurier vom 26. Juni 2020

Die Wehklagen aus der Wirtschaft wurden in den letzten Jahren immer lauter. Der Staat würde die Unternehmen zusehends nerven mit der überbordenden Bürokratie. Doch der Fall Wirecard zeigt: Das Gejammere war völlig überzogen, wenn nicht gar unberechtigt. Denn Wirecard hat sich von Anfang auf das operative Geschäft konzentriert und nicht so sehr auf den ganzen Bürokram. Das mag zwar fahrlässig klingen, verschaffte aber der Firma die nötige Luft, um sich auf dem hart umkämpften Markt zu positionieren. Der Erfolg gibt Wirecard Recht.
Nicht trotz Insolvenz, sondern gerade wegen der Insolvenz. Daher war die Überraschung groß, als zu Wochenbeginn der Wirecard-Vorstandschef Braun kurzzeitig in Haft war. Der Mann hatte weder Polizisten als Müll bezeichnet noch als Teil der Stuttgarter „Partyszene“ (neudeutsch für junge Männer mit Frustrationshintergrund) die Innenstadt zerlegt. Herr Braun hatte lediglich angemerkt, dass irgendwo 1,9 Milliarden Euro fehlen. Das ist zwar mehr als der Monatsverdienst eines Schweinezerlegers im Landkreis Gütersloh. Aber im Vergleich zu den Billionen, die gerade rund um den Erdball als Hilfen neu gedruckt und verteilt werden, ist der Wirecard-Fehlbetrag ein Witz. Wenn Geld jederzeit künstlich neu geschaffen werden kann, darf der Wert des Geldes nicht überschätzt werden. Geld ist also immer genug da, weil auch jederzeit neues Geld nach Lust und Laune in Umlauf kommt. Drum explodierte im März nicht die Nachfrage nach Geld, sondern nach Klopapier. Hätte der Wirecard-Chef gesagt, dass 1,9 Milliarden firmeneigene Klopapierrollen abhandengekommen sind, wäre eine panische Reaktion der Märkte weitaus logischer gewesen.
Überhaupt ist diese Pleite kein Skandal, sondern die konsequente Umsetzung der Geschäftsidee namens bargeldlose Zahlungsabwicklung.
Wirecard wäre doch unglaubwürdig, wenn es über hohe Geldbestände verfügen würde. Die Zukunft ist laut Wirecard bargeldlos. Folglich können auch mal 1,9 Milliarden bargeldfähiges Vermögen rückstandsfrei verschwinden. Wirecard hätte sich lediglich in einem anderen Land niederlassen sollen. Wirecard heißt wortwörtlich Kabelkarte. Der Deutsche aber hat gerne WLAN statt Kabel und zahlt bar statt mit Karte. Und doch hat die Idee von Wirecard eine Zukunft. Denn die Ereignisse von Stuttgart haben bewiesen: Gerade jüngere Leute können es sich sehr gut vorstellen, beim Shoppen auf Bargeld zu verzichten – vor allem nach dem Entglasen der Schaufenster.

 

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