07.09.2016
Wir schaffen das: Wenn ein einzelner Satz einen eigenen Jahrestag bekommt
Kolumne im Donaukurier vom 02. September 2016
Landauf, landab wird gefeiert. Anlass: Ein Jahr Wir schaffen das! Kein Mensch weiß zwar, wer alles mit WIR gemeint ist und was genau dieses berühmte DAS sein soll. Aber das soll kein Grund sein, eine Feier auszulassen. Zumal es wohl einmalig in der deutschen Geschichte ist, dass ein einzelner Satz einen eigenen Feiertag bekommt. Angela Merkel hatte sich vor einem Jahr doch so einiges vorgenommen: die Preisgabe der Landesgrenzen, das Verprellen der europäischen Nachbarn und natürlich auch noch ihr Wunsch, der Welt zu zeigen, wo der moralische Hammer hängt. Quasi ein Mix aus Maßnahmen, dass der gewöhnliche Deutsche bislang nur aus zweifelhaften Regionen wie Afrika oder Amerika kannte. Dass Merkel dabei weder auf Europa noch das eigene Parlament groß Wert legte, hat als Nebeneffekt im Nachhinein auch den Regierungsstil von Putin in ein freundlicheres Licht gerückt. Und Putin selber kann sich seither als Trendsetter fühlen.
Nach einem Jahr macht eine Zwischenbilanz natürlich Sinn. Zuvorderst muss aus bayerischer Sicht festgehalten werden: Die bayrische Staatsregierung ist nicht so begeistert von Merkels Alleingängen.  
Schließlich finanziert Bayern Deutschland und nicht umgekehrt.  
Zumindest gefühlt. Und die nackten Fakten deuten im direkten Vergleich auch eher auf dürftige Resultate. Ein Jahr vor Wir schaffen das wurde Deutschland Weltmeister und Schweinsteiger zum Symbol für teutonische Beharrlichkeit mitsamt blutverschmiertem Finalgesicht. Ein Jahr nach Wir schaffen das hat Deutschland die Europameisterschaft vermurkst.  
Schweinsteiger ging im Halbfinale mit der Hand statt mit dem Fuß zum Ball. Sein Verein hat keine Verwendung mehr für ihn. Und zu allem Überfluss war bei Schweinis Abschiedsspiel das halbe Stadion leer.  
Dass bei Olympia auch noch die deutschen Schwimmer baden gegangen sind, lässt nur einen Schluss zu: Ein Jahr nach Wir schaffen das ist in Deutschland das Becken nicht halbvoll, sondern halbleer. Das Stadion beim DFB-Juxspiel gegen Finnland hat sich dem nur angeschlossen. Noch hat Merkel Zeit für Korrekturen. Aber sollte die WM 2018 in Russland für Germany so enden wie die EM 2016, wird wohl Jogi Löw persönlich Neuwahlen fordern.
Und pünktlich zum Jubiläum wurde gestern auch noch publik: Der berühmte Satz stammt gar nicht von Merkel. Sie hat ihn lediglich von Sigmar Gabriel kopiert. Der wiederum beteuert: Er hat ihn nur eiligst an Merkel abgetreten, weil ihm der Irrtum aufgefallen ist.
Zurück