07.05.2012
Wenn Demokraten Demokratie verteufeln
Kolumne im Donaukurier vom 03. Mai 2012

Jetzt sind es doch tatsächlich schon gut zwei Jahre, wo Europa zum alltäglichen Entertainmentprogramm einer Durchschnittsfamilie gehört.
Jeden Tag kommt eine neue lustige Botschaft auf. Und die Halbwertszeiten der Botschaften werden immer kürzer. So kann es passieren, dass ein Land gestern noch als endgültig gerettet erscheint, nur um dann am Folgetag endgültig am Abgrund zu stehen.
Oder umgekehrt. Nein, eigentlich passiert der umgekehrte Fall eher selten. Richtig amüsant wird es, wenn gerade in einer prekären Basissituation auch noch Wahlen anstehen. Denn die Geschichte zeigt:
Politiker reagieren allergisch auf Wahlen, wenn sie die Jahre zuvor nur Mist gebaut haben. So gesehen ist so ziemlich jede Wahl im Moment und bis auf weiteres höchst ungünstig. Da verteufeln gewählte Demokraten die Demokratie, weil die Abwahl droht. Wieso gibt es eigentlich noch keine Politikergewerkschaft, die für entsprechend lange Kündigungsfristen oder gleich Unkündbarkeit kämpft? Denn wenn sich dann der Wähler blöd anstellt in den Umfragen, könnten die Politiker mit Warnstreiks drohen. Dann würde das Wahlvolk erkennen:
Schlechte Entscheidungen sind immer noch viel besser als gar keine Entscheidung. Damit können Politiker nämlich zumindest einen Tätigkeitsnachweis erbringen. Politiker sind an sich natürlich nicht zu beneiden. Denn das Problem ist: Vernünftige Entscheidungen entfalten sich erst oft nach Jahren, wogegen richtig grober Unfug oft schon in der Woche darauf Wirkung zeigt. Daher ist es irgendwie fast schon wieder ein Gebot für Politiker, ordentlich daneben zu langen.

Aus deutscher Sicht erweitert sich der Horizont bei Wahlen zusehends.
Die Wahl in Schleswig-Holstein interessiert beispielsweise niemanden.
Dagegen entscheidet die Wahl in Frankreich angeblich über Wohl und Wehe Deutschlands. Frau Merkel hofft sehr auf einen Wahlsieg von Sarkozy. Denn der hat in den letzten fünf einen vernünftigen Mix angestrebt: Manches hat er gar nicht angepackt, manches wiederum äußerst dilettantisch bis fahrlässig. Sein Gegenpart Hollande hingegen hat sich von Vornherein vorgenommen, lieber die Verschuldung hochzutreiben. Wenn er das richtig hinkriegt, hat er den Wahlsieg auch verdient. Sarkozy nämlich würde die Verschuldung auch hochtreiben.
Aber eben unbeabsichtigt. Und genau diese Unberechenbarkeit haben die Wähler satt. Das Volk will reinen Wein eingeschenkt kriegen. Gerade deshalb predigt Frau Merkel nur Wasser.

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