06.05.2019 18:19
Seehofer & Co und die unvorhergesehenen Bedürfnisse
Kolumne im Donaukurier vom 03. Mai 2019

Unvorhergesehenes Bedürfnis – das klingt ein bisschen wie: Mitten im Einkaufsbummel meldet sich die Blase und hält Ausschau nach dem nächsten WC. Normalerweise legt man nach getaner Notdurft auch gerne ein paar Cent in eine bereitstehende Schüssel. Schließlich fühlt man sich erleichtert und kann sich wieder Gedanken machen, wie der Geldbeutel erleichtert werden kann. Heimatminister Seehofer hingegen kalkuliert bei seinem unvorhergesehenen Bedürfnis mit 61 Millionen Euro. Das ist der ganz akut angesetzte Etat für die Feierlichkeiten zu 30 Jahre Deutsche Einheit im Jahre 2020.
Es ist ja schon mal gut, dass Feiern als notwendiges Bedürfnis gelten. Das spricht für generell gute Laune im Land. Aber warum spricht das Heimatministerium von einem unvorhergesehenen Bedürfnis? War es womöglich nicht vorhersehbar, ob die Wiedervereinigung 30 Jahre hält? Lagen vielleicht Geheimpläne in der Schublade, im Zuge der EU-Osterweiterung die sogenannten neuen Bundesländer zu einem passenden Zeitpunkt an befreundete Nachbarn wie Polen oder Tschechien zu spenden? Quasi als Beitrag guten deutschen Willens? Oder ist es unvorhergesehen, dass dem deutschen Volk nach 30 Jahren versuchten Miteinanders nach Feiern zumute ist?
Eine Finanzstaatssekretärin namens Hagedorn hat eine erstaunliche Theorie parat: Seehofer wolle mit dem Geld nämlich einen ernsthaften und ehrlichen Dialog über Zusammenhalt und Lebensverhältnisse zwischen Ost und West finanzieren. Soll das nun bedeuten, zum Nulltarif gibt es nur Unernst und Unehrlichkeit?
Doch statt die Partylaune des Heimatministers zu bereden, diskutiert die Nation seit gestern lieber über den Juso-Chef Kevin Kühnert. Der junge Mann ist jetzt sozusagen ein unvorhergesehenes Ärgernis für die SPD. Die wollte sich eigentlich auf den Europawahlkampf konzentrieren.
Auf einen kurzen Nenner gebracht schwebt Kühnert eine andere Gesellschaft vor: Mietwohnungen soll es nicht mehr geben. Und BMW soll dafür ähnlich organisiert werden wie ein sozialistisches Töpfer-Kollektiv. Darüber regen sich nicht nur Union und FDP, sondern auch viele SPD-Funktionäre auf. Aus Sicht von Kühnert ist seine Idee aber nicht so realitätsfremd. Mit seinen 29 Jahren ist er hauptberuflich Bummelstudent. Bislang ist er also nicht im wahren Leben angekommen. Da ist Träumen nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Vielleicht zieht es ihn eines Tages in die Arbeitswelt. Quasi als unvorhergesehenes Bedürfnis.

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