16.04.2021 12:48
Schwarze Desperados
Kolumne im Donaukurier vom 16.04.2021

Zu den Profiteuren von den Lockdown-Maßnahmen gehört auch die Computerspielindustrie. Aber statt es sich im Erfolg gemütlich zu machen, legt sie in Sachen Kreativität immer noch zu. Das Tempo, hochaktuelle Ereignisse in Spiele umzumünzen, ist atemberaubend. Zum Computerspiel des Jahres wurde passenderweise diese Woche „Desperados III“ gewählt. Die Ausgangssituation in diesem Spiel: Ein CSU-Chef und ein CDU-Chef wollen jeweils Kanzler werden, aber keine Doppelspitze bilden. Also machen sie sich auf in ein Duell, das nur noch Verlierer produzieren kann. Beeinträchtigt werden die Kombattanten lediglich von ihrer Selbstwahrnehmung und der Hypernervosität in ihren Parteien. Das ist ein höchst präzises Abbild der momentanen politischen Realität. Und zeigt auf, wie viel Leben noch drin ist in der Union nach Angela Merkel. Falls es stimmt, dass die Nation müde ist von Merkels uninspirierter Lethargie, bieten Söder und Laschet ein perfektes Gegenprogramm. Gerade in Zeiten, in denen tagtäglich deutlich wird, dass die Regierung überfordert ist mit den einfachsten Corona-Maßnahmen, braucht es unterhaltsame Ablenkung mit überraschenden Wendungen. So ließ Söder erst alle wissen, das Votum des CDU-Präsidiums verbindlich anzuerkennen. Dieses Gremium hat dann – warum auch immer – beschlossen, lieber ihren Laschet mit der Kandidatur zu beauftragen. Söders Reaktion lässt vermuten, dass das CDU-Präsidium vor der Entscheidung sich keinen Rat bei der CSU eingeholt hat. Damit hat sich das CDU-Präsidium nicht nur als beratungsresistent, sondern aus Söder-Sicht auch noch als unzurechnungsfähig erwiesen. Die CDU-Spitze ist somit nicht nur mit Corona überfordert, sondern auch mit der Kandidatenkür. Angeblich hat die CSU-Fraktion in Berlin den CDU-Kollegen empfohlen, sich ganz raus zu halten. Zu groß ist die Gefahr, dass die CDU-Fraktion entweder sich nicht einig ist oder gar voreingenommen. Mit großem pädagogischem Geschick versucht Söder derweil, der CDU die Entscheidung zu erleichtern. Man brauche die maximal beste Aufstellung – nicht die angenehmste, hat der CSU-Chef gesagt. Und bei „maximal“ und „beste“ kommt ja wirklich nur noch einer in Frage. Aber immerhin überlässt Söder seinem Kontrahenten Laschet das Attribut „angenehm“. Selbst in hysterischen Momenten verliert Söder also nicht den Respekt vor dem Gegner.
Und Merkel?
Lässt sich mit AstraZeneca impfen. Und die Fachwelt rätselt: Ist das Resignation oder Abenteuerlust?

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