02.07.2021 10:05
Jogi & Annalena - Aushängeschilder oder Abhängeschilder?
Kolumne im Donaukurier vom 02.07.2021

Jogi Löw hat in seinem Abschiedsspiel Lernfähigkeit bewiesen. Er wurde nach dem ersten Spiel gegen Frankreich noch gerügt, weil er in der Abwehr auf den Rückkehrer Hummels setzte. Der bedankte sich bei Löw mit einem fulminanten Eigentor für das in ihn gesetzte Vertrauen. Gegen England hingegen war Hummels der beste Akteur der deutschen Elf. Löw hat also binnen zwei Wochen begriffen, wie er aus einem Pechvogel einen Stabilisator formt. Der Effekt dieses Fortschritts war, bedenkt man das Große und Ganze, überschaubar: Mit einem desolaten Hummels verlor die DFB-Truppe 0-1, mit einem zuverlässigen Hummels aber 0-2. Und die Fachwelt rätselt: Steckt nun tatsächlich der Teufel im Detail oder doch Jogi Löw? Einig ist sich die Öffentlichkeit lediglich in der Annahme, dass ein Rücktritt von Löw nach dem WM-Titel 2014 das Beste für alle Beteiligten gewesen wäre. Man soll ja schließlich aufhören, wenn es am schönsten ist. So ist das zumindest im Fußball. In der Politik formiert sich momentan eine große Anhängerschaft für eine ganz andere Idee: Aufhören, bevor es überhaupt losgeht – bezogen auf Annalena Baerbock. Sie hat es in relativ kurzer Zeit geschafft, der Redewendung „einen Bock schießen“ die Steigerung „einen Baerbock schießen“ hinzuzufügen. Das Betonen ihrer Ahnungslosigkeit bescherte ihr zunächst traumhafte Umfragewerte. Ihre phantasievollen und regelmäßig geänderten Lebensläufe sorgten jedoch für einige Kratzer im grün-veganen Lack. Es gab ja nur zwei Interpretationsoptionen: Entweder die Dame ist sehr vergesslich. Oder sie ist die feministische Antwort auf Felix Krull und/oder Baron Münchhausen. Die Parallele zu Jogi Löw: Auch Baerbock kann eine enorme Lernkurve binnen weniger Wochen vorweisen. In ihrem jüngst vorgestellten Buch soll sie knackige Gedanken von anderen Autoren als ihre eigenen präsentiert haben. Auf den ersten Blick mag das schändlich erscheinen. Aber mal ganz ehrlich: Im Gegensatz zu erfundenen Details im Lebenslauf ist das ein großer Fortschritt. Denn die abgekupferten Fakten im Buch entsprechen nachweislich der Wahrheit. Moralisch ist das ein solider Sprung nach vorne. Der nächste logische Schritt ist somit klar: Es muss noch ein Buch her. Und in diesem zitiert sie nur kluge Leute mit Quellenangabe. Das sollte neue Fans außerhalb des grünen Spektrums bringen. Denn gerade die Durchschnittsverdiener abseits der Szeneviertel haben ja nicht Panik vor Frau Baerbock. Sondern nur vor ihren Ideen.

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