26.02.2021 13:33
Impfstoff in der Minibar
Kolumne im Donaukurier vom 26.02.2021

Gäbe es dieses Jahr eine Impfweltmeisterschaft, würde Deutschland wohl ähnlich abschneiden wie bei der Fußball-WM 2018. Deshalb hat Gesundheitsminister Jens Spahn vorgestern beruhigende Worte im Bundestag von sich gegeben. Dennoch hat die Opposition ihn einen Ankündigungsminister genannt. Das sollte despektierlich klingen. Aber in der Union hat das eher das Gegenteil bewirkt. Angeblich soll schon ein Arbeitskreis gebildet worden sein, um die Chancen für den Aufbau eines Ankündigungsministeriums auszuloten. Für eine Weiterbeschäftigung Spahns als Gesundheitsminister ist die Lage zu ernst. Aber im Kabinett will man ihn ja doch behalten, weil Spahn die konservative Wählerschaft an die Partei binden soll. Dass es ab 1.März nix wird mit den angekündigten Schnelltests, spielt ihm sogar in die Karten. Denn „schnell“ suggeriert Dringlichkeit. Souverän klingt das jedenfalls nicht. Jetzt, wo dem Volk klar wird, dass wohl eher Langsamtests kommen werden, gilt die Konzentration den wirklich wichtigen Angelegenheiten. Zum Beispiel dem herausragenden Auswärtserfolg des FC Bayern bei Lazio Rom. Und das nach all den Coronafällen im Kader! Will heißen: Virus hin oder her – wenn es darauf ankommt, ist der FC Bayern in Europa nicht aufzuhalten. Die Nationalmannschaft kann da hinten und vorne nicht mithalten. Also liegt die Verantwortung auf der Bundesebene doch wieder bei Jens Spahn. Der gute Jens hat jede Menge Trümpfe in der Hand: Sage und schreibe 1,3 Millionen Dosen AstraZeneca-Impfstoff liegen in der Minibar des Kanzleramts. Und Merkel und Spahn haben es alles andere als eilig, den edlen Stoff unters Volk zu bringen. Psychologisch ist es nämlich unheimlich wichtig, jederzeit nachlegen zu können. Dieses „Wir könnten ja, wenn wir wollten“ ist Gold wert, wenn langsam der Wahlkampf an Schwung gewinnt. Das AstraZeneca-Zeug ist für die Bundesregierung also kein Impfstoff in dem Sinn, sondern eher Reaktionsmasse auf Umfragewerte. Je besser die Union in Umfragen abschneidet, umso mehr soll das Volk mit Impfungen und Lockerungen belohnt werden. Damit die Leute kapieren: Grundrechte sind im Grunde keine Rechte, sondern eher Boni für artiges Verhalten. Bayern hat leider nicht paar Millionen Impfdosen herumliegen. Deshalb geht der Freistaat einen anderen Weg: Die Gartenmärkte werden geöffnet. Wer nämlich nach dem ewigen Lockdown auf die Schnelle keinen Friseurtermin bekommt, muss sich selber helfen. Mit einer Heckenschere.

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