26.03.2021 13:00
Humbug braucht Zeit
Kolumne im Donaukurier vom 26.03.2021

Preisfrage: Wie stehen die Chancen auf sinnvolle Gedankengänge um zwei morgens, wenn die Zoom-Konferenz schon seit zwölf Stunden andauert? Einige Teilnehmer werden längst zur Täuschung ein Double vor den Monitor hingesetzt und ins Bett gegangen sein. Andere sind dezent schnarchend auf der Tastatur eingenickt. Und wer noch wach ist, fragt sich, warum er/sie sich eigentlich noch nicht der Nachtruhe hingegeben hat. Da Angela Merkel und alle Ministerpräsidenten und -präsidentinnen auch nur Menschen sind, ist es ihnen diese Woche bei der sogenannten MPK ähnlich gegangen. Und so kam die Kanzlerin weit nach Mitternacht im Semidelirium auf die Idee, eine Osterruhe einzuführen. Der Donnerstag sollte zum Feiertag werden. Warum? Damit die Bevölkerung am Mittwoch die Supermärkte stürmt. Also damit sich noch mehr Menschen auf begrenztem Raum mit noch mehr Waren für eine deutlich längere Zeit eindecken müssen. Kurzum: Merkel wollte den Mittwoch vor Ostern zu einem Superspreader-Event aufblasen. Da dann mehrere Tage lang auch nicht getestet oder geimpft hätte werden sollen, wäre nach den Feiertagen ein bundesweiter Inzidenzwert von 800 nicht überraschend gewesen. Darüber hätte sich das Virus gefreut, aber das Volk weniger. Merkel wollte sich – warum auch immer – als Corona-Lobbyistin profilieren. Und selbst mit dieser Schnapsidee reichte es nicht für den Spitzenplatz in Sachen Kreativität. Denn den definitiv sinnfreiesten Beitrag bei der Konferenz brachte Thüringens Ministerpräsident Ramelow. Der ließ nämlich auf Twitter keinen Gedanken im eigentlichen Sinne vom Stapel, sondern 279-mal den Buchstaben Ä. Das spricht auch für den Ramelowschen Realismus. Denn da Thüringen in der Corona-Rangliste ganz oben steht, hätte auch jeder noch so ernst gemeinte Einwand Ramelows nur ein müdes Gähnen der Kollegen provoziert. Man fragt ja schließlich auch nicht Jogi Löw, wie man Spanien 6-0 besiegt. Merkel hingegen demonstrierte souverän, wie sie sich selber besiegen kann. Interessant bei ihrer gestrigen Entschuldigung ist zudem die Begründung. Sie hat nicht gesagt, dass die Idee mit den Ruhetagen ein geistiger Tiefflug mit Bruchlandung sei. Nein, ihr tat leid, dass einfach zu wenig Zeit geblieben war für die Umsetzung der Maßnahmen. Damit ist klar: Demnächst droht noch größerer Humbug. Die Kanzlerin braucht lediglich ein bisschen mehr Vorlauf. Die Osterruhe ist also vorerst vom Tisch. Aber für eine Osterpanik ist Merkel immer noch gut.

 

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