05.07.2019 16:07
Europa: Solidarität als oberstes Prinzip
Kolumne im Donaukurier vom 05. Juli 2019

Wie oft wurde die EU schon totgesagt und ist von den Quasi-Toten auferstanden? Wann immer der Staatenverbund unter Druck gerät, zaubert er auf wundersame Weise ein Kaninchen aus dem Hut. Falls grad kein Kaninchen parat steht, darf es auch mal Ursula von der Leyen sein.
Damit beweist Europa einmal mehr: Nicht das Recht des Stärkeren ist das oberste Prinzip, sondern Solidarität. Die Wahl von Manfred Weber wäre nämlich ein verheerendes Signal gewesen. Wer die meisten Stimmen einsammelt, hätte automatisch ein Anrecht auf den Posten des Kommissionschefs. Und die Zweit- und Drittplatzierten wären sich wie Wahlverlierer vorgekommen. Wie soll da ein Gemeinschaftsgefühl auf dem Kontinent entstehen?
So aber gibt es schon mal einen ganz großen Gewinner: Die Bundeswehr. Die Truppe wird eigentlich schon seit Jahrzehnten sehr stiefmütterlich behandelt von den jeweiligen Bundesregierungen. Aber unter von der Leyen gleicht die Bundeswehr einem Patienten mit Lungenentzündung, dem der Arzt als Therapie die Kältekammer empfiehlt. Manch ein Verschwörungstheoretiker vermutet ohnehin schon immer Putin als Drahtzieher hinter von der Leyens Inthronisierung als Verteidigungsministerin. Denn, so die Theorie, eine Neutralisierung der deutschen Truppen könne bei weitem nicht so einen Flurschaden anrichten wie eine Granaten-Uschi als Truppenführerin.
Außerdem droht der Ministerin ein Untersuchungsausschuss, weil sie bei der Auftragsvergabe ähnlich kreativ vorgehen soll wie der Regensburger Ex-Bürgermeister. Von daher ist sie erst recht die geborene EU-Kommissionschefin. Beim scheidenden Jean-Claude Juncker war es seinerzeit ähnlich. Er kam auch nur nach Brüssel, weil er genug auf dem Kerbholz hatte. Er musste sich in seiner Heimat Luxemburg wegen einer Geheimdienstaffäre einem Untersuchungsausschuss stellen. Wer nicht mindestens dubios agiert oder im besten Falle sogar halbkriminell, hat somit null Chancen auf den Top-Job in Brüssel. Der optimale Kommissionschef sollte sozusagen eine Mischung aus FIFA-Präsident und Hütchenspieler sein. Außerdem hat sich auch unter den EU-Staatschefs die Meinung durchgesetzt, dass Demokratie überschätzt wird. Das Sagen auf dem Planeten haben mittlerweile die Trumps, Putins und Xis. Da kann die EU mit ihrer rührseligen Wählerbeteiligung keinen Blumentopf mehr gewinnen. Und der Wähler? Der kommt sich jetzt vor wie ein Urlauber, der eine Reise auf die Malediven gebucht hat – aber am Ende in Kabul landet.

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