19.06.2015
Europa ist, wenn sich keiner um Verträge schert
Kolumne im Donaukurier vom 19. Juni 2015

An der Mautfront gibt es gute Nachrichten. Denn Brüssel hält das Vorhaben für einen ziemlichen Unfug. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt: Was die Eurokraten toll finden, stürzt entweder einzelne Länder oder gleich ganz Europa ins Verderben. Zumindest ins gefühlte.
Im Umkehrschluss müsste die Maut eine feine Sache sein. Nicht umsonst ist auch Verkehrsminister Dobrindt total begeistert von seiner Mautvariante. Und dass Merkel keinen Mucks macht gegen die Maut, ist auch ein gutes Zeichen. Wenn nun Brüssel meint, alles besser zu wissen, bewahrt Dobrindt nicht nur die Geduld. Sondern zeigt auch seinen Respekt gegenüber der EU, indem er die Maut verschiebt.
Natürlich wird hinter den Kulissen gerätselt, wieso die EU-Behörden keine Mautfans sein wollen. An womöglich fehlender Vernunft beim Mautkonzept kann es nicht liegen. Bislang fanden schließlich vor allem vernunftferne Ideen Gefallen in Brüssel. Denn die bedeuten automatisch viel Arbeit für den Brüsseler Selbstbeschäftigungsapparat. Vielleicht ging Dobrindt von zu mickrigen Zahlen aus. Von 500 Millionen Euro ist die Rede, die durch die Maut in die deutsche Kasse gespült werden sollen alljährlich. Das Geld soll von durch Deutschland auf der Autobahn reisenden Ausländern aufgebracht werden. Ist es das, was Brüssel stutzig macht? Dass nicht wie sonst der Deutsche, sondern auf einmal der Nichtdeutsche zahlt? Oder dass es nicht wie beispielsweise im Falle Griechenlands um dreistellige Milliardenbeträge geht, sondern nur um Millionen?
Ironie der Geschichte: Die EU will nun ein Vertragsverletzungsverfahren (VVV) einleiten. Aber lebt die EU nicht erst dank all der Vertragsverletzungen so richtig auf? Europa ist, wenn sich keiner um Verträge schert. Europa ist, wenn keiner Konsequenzen aus Vertragsverletzungen befürchten muss. Europa ist, wenn die Nordstaaten die Südstaaten für jedwede Trickserei belohnen und deren Phantasie loben. Das ist auch gut so. Denn wer Recht und Ordnung will, soll in die Schweiz fliehen. Aber die Maut ist natürlich zu retten. Dobrindt muss sich lediglich Tsipras und Varoufakis als Verbündete holen. Denn wenn die beiden griechischen Chefstrategen mit an Bord sind, ist jedwede Wortmeldung aus Brüssel Makulatur. Mit den zwei Obergriechen hat man quasi einen permanenten Joker, um jede noch so schräge Idee durchzuboxen. Wahrscheinlich kommt nun eine EU-weite Maut. Die muss jeder zahlen, wenn er nachweislich kein Grieche ist.

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