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Standort Deutschland

Kolumne im Donaukurier, in der Mittelbayerischen Zeitung und der Passauer Neuen Presse vom 21.06.2024

Der Sommer ist endlich da. Die Nationalmannschaft gewinnt ihre Spiele souverän. Das pinke Trikot verkauft sich wie blöd. Und die Grillsaison kann auch beginnen. Das Einzige, was jetzt noch stören könnte, wäre zu wenig Freizeit. Schließlich will die Europameisterschaft ja nicht nur am heimischen Großbildschirm gesehen werden. Sondern auch auf den unzähligen Stadtplätzen. Da kommt eine ganz aktuelle Untersuchung einer Schweizer Akademie dem Volk und der Regierung gerade sehr gelegen: In Sachen Wettbewerbsfähigkeit hat sich Deutschland aus der Weltelite längst verabschiedet. Mit dem Pflichtbewusstsein muss man es also nicht übertreiben. Wann findet schon mal eine EM im eigenen Land statt? Und wenn der Spieltag schon um 15 Uhr beginnt, will man live dabei sein.
Interessanterweise war der Höhepunkt der deutschen Wettbewerbsfähigkeit im Jahre 2014. Der DFB wurde seinerzeit Weltmeister und hat sich danach dem Breitensport verschrieben. Analog dazu hat auch der Standort Deutschland sich die Frage gestellt, ob der Status „Weltklasse“ wirklich wie ein Dauerauftrag aufgefasst werden muss. Daher ist der Absturz im Standort-Ranking von Rang sechs auf Rang 24 nachvollziehbar. Diese Rangliste basiert übrigens auf der Meinung von internationalen Managern. Die Chance, Defizite eher weniger bei sich selber zu suchen, dürfte bei diesen Fachkräften relativ groß sein. Dementsprechend wird wieder mal auf die Ampelkoalition eingeprügelt. Da bremst die Bundesregierung die Wirtschaft pünktlich zur Heim-EM so elegant aus durch immer mehr Bürokratie und Hahnenkämpfe innerhalb der Koalition. Und selbst das wird wieder in typischer Manager-Manier hämisch kommentiert. Wenn der Ball rollt, kann die Arbeit auch mal ruhen. Und wenn Deutschland demnächst Europameister werden sollte, ist es doch fair, den wirtschaftlichen Niedergang als passende Ergänzung zu sehen. Wer sportlich und zugleich wirtschaftlich allen anderen zeigt, wo der Hammer hängt, wird traditionell eher misstrauisch beäugt.
Laut obengenannter Studie sei Deutschland bei der Digitalisierung auf Augenhöhe mit Brasilien und Venezuela. Was soll an diesem Fakt so schlimm sein? In Deutschland schätzt man eben reale statt digitaler Begegnungen. Wenn Kinder schon das Handy weglegen sollen, spricht nichts dagegen, dass die Eltern die Arbeit weglegen. Allein schon, weil grad EM ist.