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Söder ist gleich Heino geteilt durch Freddy Quinn
Kolumne im Donaukurier, in der Mittelbayerischen Zeitung und der Passauer Neuen Presse vom 27.12.2024
Wenn ein bayerischer Ministerpräsident etwas anpackt, liegt die Messlatte hoch. Das betrifft erst recht das Thema Weihnachtslieder. Man stelle sich den Sturm der Entrüstung vor, hätte Markus Söder einfach so mal in sein Smartphone hineingeträllert! Die einen hätten schlicht die miese Soundqualität bekrittelt. Die anderen hätten Söder mangelnden Respekt gegenüber deutschem Liedgut vorgeworfen. Der einzig gangbare Weg war folglich eine professionelle Produktion im Tonstudio. Die Reaktionen sind dementsprechend hochemotional: Von Begeisterung bis Entsetzen ist alles dabei. So ein Lied soll ja auch die Gefühle ansprechen. Und gerade in der staaden Zeit kann sich Söder auf diese Weise umso besser Gehör verschaffen. Denn das Letzte, was das Volk vor und in den Feiertagen hören will, sind politische Bekundungen. Umso seltsamer ist es, dass von den Kanzlerkandidaten in diese Richtung gar nichts kommt. Robert Habecks Versuch, ein Grönemeyer-Lied zu summen, flog ihm um die Ohren. Olaf Scholz hätte mit Fug und Recht die ewige Weihnachtsschnulze „Last Christmas“ singen können. Schließlich deuten sämtliche Umfragen darauf hin, dass er sein letztes Weihnachtsfest als Kanzler erleben darf. Friedrich Merz hätte mit „Morgen Kinder wird´s was geben“ seinem politischen Kurs Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit verschafft. Verspricht er doch der Wählerschaft seit Wochen nichts anderes als den wirtschaftlichen Aufschwung.
So aber ist Söder wieder einmal der einsame Rufer in der Wüste beziehungsweise Sänger im politischen Internet. Stilistisch wagt der CSU-Chef keine Experimente. Aufmerksame Zuhörer registrieren sofort eine gewisse Nähe zu Heino und Freddy Quinn. Der Interpret Söder vermittelt damit Wärme, Vertrautheit und Sehnsucht nach den guten alten Zeiten. Im Prinzip ist das Söder-Lied ein vertonter Weihnachtspulli mit lauter Söderläusen statt Nikoläusen darauf. Damit prägt der Allrounder aus Franken nicht nur den Zeitgeist, sondern liefert auch gleich den Soundtrack dazu. Das sollte auch selbstverständlich sein für einen politischen Vollsortimentler. Wenn der Ministerpräsident in der zweiten Januarwoche traditionell seinen Neujahrsempfang veranstaltet, wäre eine Live-Darbietung durchaus angebracht. Bei entsprechender Resonanz wird Söder daraus die richtigen Lehren ziehen: Regierungsansprachen gibt es dann nur noch gesungen.