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Regieren ja – Anwesenheit nein

Kolumne im Donaukurier, in der Mittelbayerischen Zeitung und der Passauer Neuen Presse vom 06.06.2025

Wenn sich Leute nicht ausstehen können und sich an diesem Zustand nichts ändern soll, hilft nur eines: Man geht sich aus dem Weg. Wo kein Aufeinandertreffen, da kein Ärger. Das ist keine sensationelle These, muss aber nochmal betont werden. Denn diese Woche hat Bundestagspräsidentin Klöckner einen Brief an alle Bundesminister und -ministerinnen verschickt. In diesem Schreiben fordert sie mehr Anwesenheit der Regierung im Bundestag ein. Von „kontinuierlicher Präsenz“ ist sogar die Rede. Wenn sich Frau Klöckner es sich da mal nicht zu leicht macht. Klar ist: Die Union hat keine Lust, mit der SPD zu regieren. Die SPD hat keine Lust auf einen Bundeskanzler Merz. Eigentlich hätte sich Julia Klöckner nach der Wahl zur Bundestagspräsidentin die Herren Merz und Klingbeil schnappen müssen. Klöckner hätte den beiden einen fairen Deal vorschlagen können: Jedes Ministerium kümmert sich nur um seinen Bereich. Und niemand funkt einem anderen Ministerium ins Tagesgeschäft rein. Dafür braucht sich kein einziges Regierungsmitglied im Plenarsaal blicken lassen.
Es bräuchte dringend ein paar Zuckerl, damit sich die Regierung den ganzen Zirkus überhaupt antut. Denn so richtig regieren lässt es sich angesichts der Mehrheitsverhältnisse sowieso nicht. Für die großen Entscheidungen braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Und dafür brauchen Merz & Co. die bei Unionisten sehr beliebten Grünen plus auch noch die bei Klingbeil Sodbrennen verursachenden Linken. Das alles bei einer hauchdünnen Mehrheit im Bundestag. Und da wundert sich Frau Klöckner, dass sich die Mini-Koalition eher als Homeoffice-Regierung versteht?
Wie groß die Abneigung gegenüber der vorgesehenen Arbeitsstätte ist, demonstriert Friedrich Merz mit seinem Besuch bei Donald Trump. Während einige schon Mitleid mit dem Kanzler haben, halten einige andere den US-Präsidenten für deutlich unterhaltsamer als die Vertreter der deutschen Opposition. Um Kabinettsmitglieder öfter in den Bundestag zu locken, müssten sich Grüne und Linke vielleicht mehr von der Trumpschen Unberechenbarkeit inspirieren lassen.  Ein paar Aussagen wie „Annalena Baerbock ist ein Macho“ von Grünen oder „Wir brauchen mehr Milliardäre“ von Linken – und schon wäre das Kabinett Merz täglich vollzählig im Plenum. Und Julia Klöckner könnte wieder ihren Job genießen. Fehlt nur noch die Popcorn-Tüte in der Hand.