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Nix wie raus aufs Land!
Kolumne im Donaukurier, in der Mittelbayerischen Zeitung und der Passauer Neuen Presse vom 06.08.2024
Kann eine Pandemie Vorteile haben? Wer die Seuche durchstehen durfte, mag diese Frage zu Recht als blanken Zynismus auffassen. Ebenso werden all die Familien, für die der Küchentisch sowohl Büro als auch Klassenzimmer darstellen durfte, sich gar nicht erst auf die Suche nach positiven Aspekten machen. Denn apokalyptische Szenarien wurden zum Alltag: Eigentlich will man nur die tägliche Arbeit verrichten – wird aber zum Ohrenzeugen der Telefonkonferenz des Ehepartners, während zeitgleich ein Kind die binomische Formel und das andere Kind den Unterschied zwischen Dativ und Genitiv erklärt haben will. Die Erfahrungen haben aber zu der Einsicht geführt: Der nächste Urlaub wird wichtiger denn je. Es war lediglich die Gefahr virulent, gesund in ein Flugzeug zu steigen und sauber verseucht am Urlaubsort anzukommen. Und statt Flanieren am Strand war dann Vollpension inklusive Quarantäne angesagt. Dadurch wurden Ferien in der Heimat umso populärer. Und um der Ansteckungsgefahr ein Schnippchen zu schlagen, zog es sehr viele Leute erstmals in die schöne deutsche Provinz. An dieses Phänomen mag auch Bauministerin Geywitz gedacht haben, als sie unlängst eine in sich logische Formel aufgestellt und publiziert hat: zu wenig Wohnraum in der Stadt plus viel freier Wohnraum in der Provinz = nix wie raus aufs Land.
Dass es in der sogenannten Pampa draußen eigentlich sowieso viel stressfreier ist für den menschlichen Organismus, ist hinlänglich durch unzählige Studien belegt. Was aber nicht unterschätzt werden sollte, sind die weiteren Vorzüge des Standortes Deutschland: Selbst wer nur einmal pro Woche sich im Büro blicken lassen und ansonsten mehrmals täglich Online-Konferenzen beiwohnen soll, hat generell seine Ruhe. Bahnfahren ist bekanntlich sowieso Synonym für Stillstand. Die umweltbewusste Fahrt per Bahn in die Firmenzentrale kann man sich daher mit gutem Gewissen schenken. Und das Thema Internetleitungen draußen auf dem Lande ist eine Erfolgsgeschichte für sich. Man klinkt sich ein ins Zoom-Meeting und verharrt sofort im Standbild. Dafür kann die Bauministerin natürlich nichts. Sie kann sogar auf einen SPD-freundlichen Fakt verweisen: Der letzte Kanzler, der sich Gedanken um Wirtschaft und Infrastruktur machte, war Genosse Gerhard Schröder. So gesehen passt der Ausdruck „Standort Deutschland“ jetzt besser denn je.