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Loddar zur Lage der Nation!

Kolumne im Donaukurier, in der Mittelbayerischen Zeitung und der Passauer Neuen Presse vom 30.08.2024

Das Volk ist verunsichert. Da hilft es, zwecks Standortbestimmung auf die wahren Meinungsführer zu hören. Deutschland kann sich glücklich schätzen, gerade in solchen heiklen Momenten auf die Expertise von Lothar Matthäus vertrauen zu können. Der Mann hat die ganze Welt gesehen und war zweimal Weltfußballer des Jahres. Und zwar in den deutschen Schicksalsjahren 1990 und 1991. Wenn also einer über deutsche Befindlichkeiten valide philosophieren kann, dann er. Was Loddar diese Woche getan hat, sollte daher die gesamte Nation wachrütteln: Er hat seinen Job als Jugendtrainer beim TSV Grünwald hingeschmissen. Weil er nach Ansicht der Spielereltern alles falsch macht. Diese Entwicklung ist fatal, aber leider auch symptomatisch für den Zustand des Landes: Wer tatsächlich Ahnung hat, wird einfach mit Argwohn beäugt und bis zur Aufgabe zermürbt. Laut Matthäus würden alle Eltern permanent mehr Einsatzzeiten für die Zöglinge fordern. Und zwar unabhängig von ihrem Potenzial.
Natürlich kann man Grünwald als traurigen Einzelfall abtun: Sozial prekär (Gewerbesteueroase) und ethnisch bedenklich heterogen (viele Zugezogene aus NRW). Und nach Einbruch der Dunkelheit braucht man dort das Haus nicht mehr verlassen, weil alle Restaurants schon im Vorfeld ausreserviert sind. Dass Eltern unter diesen widrigen Bedingungen sich Gedanken machen um die Zukunft der Sprösslinge, ist daher irgendwie nachvollziehbar. Im Sport wird ein Vehikel für den sozialen Aufstieg gesehen. Und die große Politik lebt es ja auch vor: Ohne blassen Schimmer von der Welt da draußen ist es hierzulande möglich, vom Wirtschaftsminister bis zur Außenministerin so ziemlich alles zu werden. Das weckt Hoffnungen bei den im Leben zu kurz Gekommenen. Also sind auch die Eltern des Grünwalder Fußballnachwuchses wahrscheinlich der Meinung, ein minderbegabter Jungkicker hätte moralisch ein Anrecht auf einen Stammplatz und in Zukunft auf einen Millionenvertrag beim FC Bayern. So etwas macht einen leistungsorientierten Profi wie Matthäus natürlich fuchsteufelswild. Er stammt ja noch aus der Generation „Von nix kommt nix“. Dennoch sagt er, dass er als Trainer den Jungs auch das Verlieren beibringen wollte. Aber dafür ist er als Weltfußballer und -meister der falsche Ansprechpartner. Wer Verlieren lernen will, ist momentan bei der SPD oder bei den Grünen besser aufgehoben.