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kicker Abpfiff – Februar 2023

Kolumne im kicker vom 24.02.2023

Union Berlin – ein willkommenes Mysterium

Oberflächlich betrachtet ging es zuletzt drunter und drüber beim FC Bayern. Aber das hat auch mit Falscheinschätzungen der Konkurrenz zu tun. Man nehme nur mal Union Berlin. Natürlich ist es schön, wenn der Ostteil der Hauptstadt den fußballerischen Niedergang des Westteils überkompensiert. Und das auch noch begleitet von einer bundesweiten Sympathiewelle. Trotz des imposanten Ist-Zustandes sollte aber der Soll-Zustand nicht vergessen werden: Ziel ist – wie auch von Trainer Urs Fischer bestätigt – die 40-Punkte-Marke. Die ist jetzt erreicht.
Aber musste das schon so früh passieren? Bei ehrlicher Betrachtung wären zum jetzigen Zeitpunkt 25 Punkte mehr als ausreichend, um am 34. Spieltag in entspannten Tabellenregionen zu landen. Und die Bayern müssten angesichts interner Unpässlichkeiten nicht auch noch argwöhnisch nach Berlin blicken. Das Image von Union wird dadurch tendenziell eher lädiert als geschärft. Wer so weit oben steht, wird gern mal als Establishment wahrgenommen und nicht so sehr als Rebell.
Doch vielleicht liegt der Kardinalsfehler der Unionisten bei der Trainerwahl. Der Verdacht liegt nahe, dass sich Fischer gar nicht groß bewusst war, auf was er sich einlässt. Denn der Schweizer kam mit einem Doppel-Double nach Berlin: Schweizer Meister mit dem FC Basel 2016/2017. Und Meister und Pokal mit dem FC Basel 2017. Hier wird ein eklatantes Defizit von Trainer Fischer offenbar: Er kann nur oben mitspielen. Abstiegskampf ist ihm fremd. Folglich will er die 40 Punkte spätestens nach dem 20. Spieltag im Sack haben. Nur scheint es bislang im Umfeld von Union Berlin noch niemanden zu geben, der sich den Fehlgriff auf der Trainerbank eingestehen will. Genau das zwingt den FC Bayern, zu immer unkonventionelleren Methoden zu greifen. Den Torwarttrainer rausscheißen, um Ruhe in die Abwehrkette zu bekommen – auf die Idee muss man erst mal kommen! Ebenso kreativ waren die Bayern letzte Woche in Paris: Weil Sané und Gnabry in großen Spielen gerne mal abtauchen, setzte der Rekordmeister auf das neue Traumduo Coman/VAR. So flink wie der VAR in Paris agierte, drängt sich der Verdacht auf: Der deutsche VAR sitzt zwar auch im Keller. Aber scheinbar ohne Bildschirm.