Kolumnen

kicker

kicker Abpfiff – August 2023

Kolumne im kicker vom 23.08.2023

Seine Endphase als Aktiver hätte Sami Khedira prädestiniert für einen DFB-Job: Letzte Saison im Ausland bei Juventus Turin mit null Einsätzen und null Toren. Letzte Saison bei Hertha BSC mit neun Einsätzen und null Toren. Allerletztes Ligaspiel eine Niederlage trotz Führung. Dazu noch Teil der legendären 2018er WM-Truppe, die es mühelos geschafft hat, den WM-Titel 2014 vergessen zu machen. Viel mehr DFB-DNA ist weder physikalisch noch chemisch möglich. DFB-Boss Neuendorf hätte den guten Sami eigentlich mit dem Schubkarren abholen müssen vor lauter Euphorie. Zumal ein Sportdirektor vor allem klare Analysen und daraus folgend Lösungsoptionen bringen soll. Das macht ein Khedira aus dem Effeff. Man denke nur an sein Eingeständnis, dass seine Leistung bei der WM 2018 ihm selber unerklärlich sei. Und solange etwas unerklärlich ist, braucht man auch nichts zu ändern. Und genau das will schließlich der DFB: Es soll sich nichts ändern. Darüber wacht Verbands-Oberguru Neuendorf mit Argusaugen. Drum ist die Brille auch immer nach oben geschoben, um nicht Gefahr zu laufen, mal genauer hinzuschauen. Und weil Neuendorf auch bei der FIFA hochambitioniert wegschaut, schustert ihm FIFA-Zampano Infantino noch eine Viertelmillion pro Jahr zu als Wegschauprämie. Das ist nicht nur menschlich nachvollziehbar, sondern zeugt auch von ökonomischem Sachverstand. Andernfalls wäre das nette Taschengeld aus Zürich ruckzuck weg. Und beim DFB wurde sowieso bislang jeder weggeräumt, der den Laden auf Vordermann bringen will. Drum war Neuendorf schockiert, als ihm Khedira – bei voller Zurechnungsfähigkeit wohlgemerkt – mit irgendwelchen Reformvorschlägen kam. Das war wiederum für Neuendorf nicht nur unerklärlich, sondern auch nicht akzeptabel. Vor jedem sich abzeichnenden Vorrunden-Aus verlängert der DFB sicherheitshalber die Trainerverträge, damit alles beim Alten bleibt. Finanzielle und sportliche Desaster sind mittlerweile struktureller Natur. Und damit keine Ausrutscher, sondern strategische Volltreffer. Khedira will das wohl nicht begreifen. Vielleicht sollte er lieber nach Saudi-Arabien gehen. Zum Glück geht es dort nicht ums Geld. Sondern um Fußball. Das soll sogar Neymar bestätigt haben.