donaukurier
Kanzlerlos glücklich
Kolumne im Donaukurier, in der Mittelbayerischen Zeitung und der Passauer Neuen Presse vom 29.11.2024
Glaubt man den Umfragen, haben die Deutschen ihre Entscheidung getroffen: Man will es in Zukunft ohne Kanzler versuchen. Die Spät- und Nahfolgen der letzten zwei Jahrzehnte scheinen zu einer gewissen Ernüchterung beitragen haben. Es gibt keinen Kanzlerkandidaten, der die Nation in Entzückung versetzt. Im Gegenteil: Wer auf eine Kandidatur verzichtet, wird sogar belohnt. Der neue Bayerntrend zur Bundestagswahl veranschaulicht das besonders grell. Die CSU steht bei 45 Prozent! Sportreporter, Autotester und führende Dentallabore führen das auf Söders annullierte Ambitionen auf den Kanzlerthron zurück. Wer nicht Kanzler werden will, kommt angenehmer und sympathischer rüber. Während genug Umfragen bestätigen, dass ein Verharren von Olaf Scholz im Kanzleramt als zunehmend übergriffig wahrgenommen wird.
Was dem Kanzler besonders übelgenommen wird: Er glaubt, dass er die letzte Bundestagswahl gewonnen hat statt dass die Union sie verloren hat. Damals wollte die CDU unbedingt den Wunsch der CDU-Basis ignorieren. Was dazu führte, dass die Basis dann eben daheim blieb am Wahltag. Genau diesen Modus hat sich jetzt auch die SPD auferlegt: Die SPD-Basis kann einen Scholz nimmer ausstehen – also muss er der Kanzlerkandidat bleiben. In der SPD-Spitze spielen also Attribute wie Loyalität zum Kanzler und Spaß am Ärgern der Basis eine große Rolle. Vielleicht spüren die SPD-Topgranaten Esken und Klingbeil so was wie soziale Verantwortung für Olaf Scholz. Wenn dieser nimmer Kanzler sein darf, will er womöglich nochmal Bürgermeister in Hamburg werden. Mit Schaudern und Verwunderung erinnern sich die Hamburger an Scholz´ unendliche Gedächtnislücken im Cum-ex-Skandal. Von Olafs Lobgesänge auf den grandios am eigenen Größenwahn gescheiterten René Benko ganz zu schweigen.
Laut Bayerntrend steht es übrigens auch um Hubert Aiwangers Berlin-Pläne nicht allzu berauschend. Auf läppische vier Prozent werden die Freien Wähler taxiert. Hier mag einerseits die Befürchtung, dass den Hubsi in Berlin niemand versteht, eine Rolle spielen. Andererseits würde Aiwanger natürlich auch als Entertainer im Freistaat fehlen. Eine bayerische Volksfestsaison ohne den FW-Chef als Animateur ist schlicht unvorstellbar. Aiwanger in Berlin wäre also ein Horrorszenario für Bayerns Brauereien. Es gibt einfach Themen und Leute, die man nicht nüchtern betrachten darf.