donaukurier
Ein Trikot als Politikum
Kolumne im Donaukurier, in der Mittelbayerischen Zeitung und der Passauer Neuen Presse vom 22.03.2024
Zwei Highlights sind diese Woche im Fokus gewesen: Die Präsentation des neuen DFB-Trikots und die Eröffnung der Leipziger Buchmesse. Der Kanzler war nur in Leipzig präsent. Damit verrät Olaf Scholz, wie er die Chancen der DFB-Elf bei der Heim-EM einschätzt: Bestenfalls mittelprächtig. Denn der Wahlkampf hat längst begonnen. Und wo sich Sieger tummeln, da ist auch mit der Anwesenheit des Kanzlers zu rechnen. Umgekehrt gilt: Wo er nicht auftaucht, braucht es PR-Strategien, um das potenzielle Scheitern erklären zu können. Beim DFB ist man in dieser Hinsicht schon relativ weit. Gut, der Fußballverband ist ein mehrfach gebranntes Kind. Das letzte Turnier, wo der sportliche Aspekt im Vordergrund stand, ist immerhin zehn Jahre her. Das Scheitern bei der WM 2018 in Russland war der Unterkunft geschuldet. Zu wenig Luxus, zu wenig Ablenkung – da kann ein DFB-Fußballer nur in ein mentales Loch fallen. Bei der EM 2020 war die Irritation für die DFB-Kicker perfekt: Das Turnier fand 2021 statt! Ein ganzes Jahr Verzug ist dem DFB-Biorhythmus nicht zu vermitteln. Da darf es schon als Großtat gelten, dass der DFB elf Freiwillige auftreiben konnte. Bei der WM 2022 in Katar wiederum ging es um alles außer Fußball: Menschenrechte, Armbinden – und eine Innenministerin Faeser, die der arabischen Welt ihr ärmelloses Oberteil präsentiert. Letzten Endes war dieser Ausflug eine Mischung aus Aktivismus und Modenschau. Die Nationalmannschaft funktioniert eigentlich nur noch, wenn der Bundestrainer Rudi Völler heißt. Da Völler leider nicht mehr parat steht, ordnet der DFB seine Chancen bei der EM dementsprechend realistisch ein. Ohne Heimrecht würde dieses Turnier wohl ohne deutsche Beteiligung stattfinden. Das Ablenken vom sportlichen Aspekt hat daher für den DFB absolute Priorität. Mit dem rosaroten Ausweichtrikot hat der Verband ein klares Zeichen gesetzt: Man weicht dadurch nicht nur dem Thema Fußball aus, sondern lässt die ganze Nation hitzig über das Trikot debattieren. Es wäre keine Überraschung, würde das Team alle Spiele in diesen Farben bestreiten. Nach dem Ausscheiden könnte jeder Spieler erhobenen Hauptes im Interview glaubwürdig behaupten: „Wir wussten gar nicht, dass wir für Deutschland auflaufen.“ Oder alternativ frei nach Robert Habeck: „Wir haben nicht zu wenig Tore geschossen – der Gegner hat einfach zu oft getroffen.“