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Chat gegen Politikverdrossenheit
Kolumne im Donaukurier, in der Mittelbayerischen Zeitung und der Passauer Neuen Presse vom 28.03.2025
Wie man Politikverdrossenheit erfolgreich bekämpft, zeigt die neue US-Regierung Woche für Woche. Speziell in Deutschland wird das mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Denn hierzulande breitet sich immer mehr das dumpfe Gefühl aus: Die da oben in Berlin machen eh, was sie wollen. Nur dass eben Dumpfheit eine gehörige Portion Subjektivität beinhaltet, die wiederum nicht unbedingt mit der Realität überstimmen muss. Was dieser unnötig komplizierte Satz also sagen will: Je transparenter und öffentlicher die politische Kommunikation stattfindet, umso mehr Rückhalt wird die herrschende Riege im Volk finden. Darum ist US-Verteidigungsminister Hegseth auch gar nicht sauer, dass sein Gruppenchat von neulich publik wurde. So erfuhr die breite Öffentlichkeit, was dem Pentagon-Boss so vorschwebt für die nahe Zukunft. In Europa wurde das als Gipfel der Stümperei und Beleg für die Unfähigkeit der Trump-Truppe gewertet. Überraschend ist das nicht. In Europa wird Politik lieber in Hinterzimmern ausgekungelt, weil sie gern mal zum Gegenteil von dem führt, was im Volk gewünscht ist. Doch Hegseth muss sich jetzt weder rechtfertigen noch wird er von Trump gerüffelt. Trump selber haut schließlich im Minutentakt über X und sonstige Netzwerke seine neuesten Ideen und Pläne in den Orbit. Genau diese Nahbarkeit macht ihn so beliebt bei seinen Wählern und gefürchtet bei seinen Gegnern.
Eventuell-Bald-Kanzler Merz sollte daher unbedingt vor seiner Vereidigung eine öffentliche Chatgruppe einrichten. Wenn die allerwichtigsten Stichpunkte vor einer Kabinettssitzung schon mal bekannt sind, kann der breit gestreute sogenannte gesunde Menschenverstand ihm passende Korrekturen und Anregungen mitgeben. So hat das Wahlvolk die permanente Gewissheit, dass nicht schon wieder am Volk vorbei regiert wird. Merz hätte über so einen Gruppenchat beispielsweise schon vor der Bundestagswahl geben sollen, dass er einen Tag nach der Wahl so ziemlich SPD-Positionen in vorauseilendem Gehorsam zu übernehmen gedenkt. Das hätte ihn zwar viele Unionsstimmen gekostet, aber ihm viel mehr grüne und SPD-Stimmen gebracht. Ein Ergebnis deutlich über 30 Prozent wäre das Mindeste gewesen. Sein erster Chatbeitrag könnte lauten: „Dank dem Billionenpaket sind die Bauzinsen in die Höhe geschossen – Merz wirkt!“ Schon wäre Merz sofort so beliebt wie Angela Merkel in der CSU.