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Bulldog Aiwanger
Kolumne im Donaukurier, in der Mittelbayerischen Zeitung und der Passauer Neuen Presse vom 12.01.2024
Wer dieser Tage mobil sein will, muss bauernschlau agieren. Denn wer auf das eigene Auto setzt, scheitert schnell an der Autobahnauffahrt an den Bauernblockaden. Wer ein Mietauto bevorzugt, erleidet das gleiche Schicksal. Wer alternativ auf Bundesstraßen ausweicht, darf gern mal stundenlang mit 28 km/h einem Traktor hinterher zuckeln. Wer auf die Bahn setzt, muss selbst in Zeiten nicht streikender Lokführer ein grenzenloser Optimist sein. Die Lösung: Das SUV oder auch den ICE stehen lassen und stattdessen einen PS-starken Bulldog nehmen. Dann ist freies Geleit garantiert. Gerade wenn es darum geht, zügig auf die Autobahn zu gelangen. Spitzenmodelle aus Allgäuer Fertigung mit über 500 PS sorgen für angenehme Reisegeschwindigkeiten. Selbst der Wechsel auf die linke Spur macht einen nicht zu einem Verkehrshindernis. Durch die erhöhte Sitzposition kriegt man auch wesentlich mehr mit von der schönen Umgebung. Da die Bauernproteste große Unterstützung haben in Bevölkerung, ist der Imagegewinn mit so einem stattlichen Gefährt auch in der Innenstadt nicht von der Hand zu weisen. Während die üblichen Innen- und Vorstadtpanzer aus Ingolstadt, Untertürkheim oder München schnell mal für Neid und Argwohn sorgen. Und in der Tiefgarage auch gern mal gleich zwei Parkplätze benötigen. Das erschwert die Akzeptanz zusätzlich.
Es wäre also nicht verwunderlich gewesen, hätte sich der Bundeskanzler am Donnerstag aufgemacht zu einem renommierten Traktorenhersteller. Das wäre als Zeichen gewertet worden, dass ihm sowohl die Agrarwirtschaft als auch die Industrie generell am Herzen liegen. Aber Olaf Scholz hat wieder mal bewiesen, dass Regieren für ihn eher ein Abarbeiten von Terminen ist, die ihm sein Büroleiter macht. Zielstrebig hat der Kanzler nämlich ein ICE-Werk besucht. Und damit sein Interesse am Stillstand demonstriert. Die Bahn braucht nach eigenem Bekunden gar keine neuen ICE-Züge. Bekanntlich streikt die Lokführergewerkschaft und ebenso zuverlässig auch die Infrastruktur der Bahn. Ganz nach dem Motto „Irgendwas ist immer“. Ein neuer ICE würde also nur im Lokschuppen vergammeln. Doch Scholz agiert lieber so, wie es Regenten seit Menschengedenken tun: Er hofft, dass sich die Realität seinen Wünschen anpasst. Interessant ist aber, was herauskommt, wenn man einen Bulldog mit einem Politiker kreuzt: Ein Aiwanger.