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Alles ist möglich

Kolumne im Donaukurier, in der Mittelbayerischen Zeitung und der Passauer Neuen Presse vom 31.01.2025

Wenn es um die großen Fragen der Gegenwart geht, werden überraschend oft Leute aus dem politischen Geschäft befragt. Die sind logischerweise sehr daran interessiert, (wieder-) gewählt zu werden. Dementsprechend engt das den Horizont ungemein ein. Da geht es dann im übertragenen Sinne nicht um die Familienfeier im nächsten Jahr, sondern schlicht um die nächste Brotzeit. Viel erhellender ist es daher, Stimmen aus dem nichtpolitischen Segment zu Wort kommen zu lassen. Gerade wenn es um Politik geht. Erfreulicherweise war diese Woche beispielsweise ein Howard Carpendale in der ARD-Sendung „Maischberger“ zu Gast. Der seit Jahrzehnten beliebte Sänger hat dort weder eine neue Platte noch eine Biographie promotet. Nein, er wurde eingeladen, um die Weltlage auf den Punkt zu bringen. Das mag manchen aufmerksamen TV-Junkie irritiert haben im Sinne von „Wieso quatscht ein Südafrikaner, der deutsche Schlager singt, über Amerika?“. Aber wenn jeder nur in seiner Gedanken- und Gefühlswelt bleibt, verkrusten die Strukturen immer mehr. Würde zum Beispiel der US-Präsident seine Einschätzung über die Transferpolitik des FC Bayern zum Besten geben, wäre Aufmerksamkeit garantiert. Ebenso würde eine fundierte Einlassung des chinesischen Staatschefs über das letzte Helene-Fischer-Album größere Wahrnehmung genießen.
Carpendale hat jedenfalls nicht wie die üblichen Dampfplauderer von CDU, SPD, Grünen und sonstigen Parteien um den heißen Brei herumlaviert. Nein, Howie hat Klartext gesprochen. Seiner Meinung nach wird die Zukunft dieser Welt bald entschieden. Das haben bisher Scholz, Merz und Habeck eiskalt verschwiegen. Oder sie haben es gar nicht gewusst. Was die Sache noch schlimmer machen würde. Carpendale ist sogar ins Detail gegangen: „Alles ist möglich.“ Allein diese deutliche und vor allem positive Aussage war das Einschalten schon wert. Alles ist möglich – das erzeugt eine ganz andere Dynamik im Volk als die üblichen, tausendmal gehörten Politikfloskeln. So kurz vor der Bundestagswahl wäre es daher angemessen, einen Hans Sigl oder Florian Silbereisen die Wahlprogramme der Parteien analysieren zu lassen. Das sind bundesweit beliebte Stars, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. Und ganz wichtig: Sie garantieren ein Happyend. Während Scholz & Habeck laut Fachpresse nur eines garantieren können: Ein weiteres Jahr Rezession.
Bildung ist ein ewiges Stiefkind der Politik. Und das betrifft längst ganz Europa. Die regelmäßigen PISA-Studien gelten in bildungsnahen Kreisen folgerichtig längst als Barometer der europäischen Doofheit. Germany leistet sich lediglich den Luxus, das Bildungsniveau von Jahr zu Jahr so runter zu schrauben, dass von drei Abiturienten vier ein Einser-Abi haben. Dass dadurch haufenweise junge Leute die Universitäten fluten, die vom Lehrstoff hoffnungslos überfordert sind, tut da nichts zur Sache. Umso schöner ist es, wenn sich hie und da Oasen der Cleverness auftun bei der Jugend. Ein aktuelles Beispiel aus Italien illustriert recht schön, dass es schon noch ambitionierte Teenies gibt. Das Problem ist ja auch nicht die Jugend, sondern die Ignoranz der sogenannten Mächtigen. Vielleicht zieht es aber auch immer öfter gerade die Leute in die Politik, die Regieren als entspannte Alternative zur Realität ansehen. Oder aber deren eigene Bildung sie auch gar nicht für ein Dasein in der Realität qualifiziert.
Jedenfalls war wohl ein 15-Jähriger aus Cesena nicht mit seinem Bildungsstand unzufrieden, sondern mit seinen Noten. Was liegt da näher, als die Benotungshoheit in die eigene Hand zu nehmen? Also loggte er sich in die EDV des Bildungsministeriums in Rom ein und korrigierte zunächst nur seine Noten auf ein für ihn akzeptables Niveau. Der Bub scheint aber auch generell ein Händchen für Verhältnismäßigkeit zu haben. Denn im zweiten Schritt machte er sich auch über die Noten seiner Freunde her. Solidarität gehört als definitiv zu seinem Markenkern, was indirekt auch die Erziehungsmethoden seiner Eltern in ein günstiges Licht rückt. Darüber hinaus wollte er aber auch der Allgemeinheit von Nutzen sein. Da liegt es nahe, vom Kinderzimmer aus via PC die Schiffsrouten im Mittelmeer im Sinne der nautischen Sicherheit zu verändern. Aber wie so oft im Leben: Wenn es richtig effizient und/oder lustig wird, schieben Behörden dem Tatendrang einen Riegel vor. Was kann Deutschland aus dem Fall lernen, falls der Vertrag des Traumschiff-Helden Silbereisen verlängert werden soll? Der gute Florian sollte unbedingt ein Praktikum in Cesena machen. Und wenn er nebenbei auch noch bessere Schulnoten haben will, wird das sicher auch noch erledigt. Als Inflationsausgleich verdient schlussendlich jedes Abi vor 2010 eine Eins vor dem Komma.