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(Un-)Vermögen

Kolumne im Donaukurier, in der Mittelbayerischen Zeitung und der Passauer Neuen Presse vom 07.02.2025

Momentan wird viel über das Unvermögen in der deutschen Politik diskutiert. Da kommt eine Frage eindeutig zu kurz: Wie sieht es mit dem Vermögen in der Bevölkerung aus? In Deutschland ist das Unvermögen, ein Vermögen aufzubauen, besonders groß. Das sagt zumindest die Statistik. Jetzt könnte man mit Durchschnittswerten hantieren. Aber wer gibt sich schon gerne mit Durchschnitt zufrieden? Der Mensch strebt nach oben. Gleichzeitig sieht er sich speziell in Deutschland gerne in der Mitte der Gesellschaft. Er hätte also jeweils 42 Millionen Leute über und unter sich. Dieser Mensch hat hierzulande statistisch ein Vermögen von 107000 Euro. Ob das viel oder wenig ist, zeigt ein Blick auf die Nachbarländer. Der Abstand ist eklatant: Der in der Mitte platzierte Italiener besitzt 50 Prozent mehr Vermögen als der Deutsche. Und auch Österreicher oder Franzosen liegen ungefähr 25 Prozent höher. Was auffällt: Das sind allesamt Länder, in denen der Deutsche an sich gerne Urlaub macht. Umgekehrt ist das aber bei weitem nicht im gleichen Ausmaß der Fall. Soll heißen: Der Deutsche holt sich sein Wohlbefinden, das ihm Deutschland scheinbar nicht mehr bietet, sehr ausgiebig bei den Nachbarn. Das hat seinen Preis und führt zum soliden Vermögensaufbau um Deutschland herum.
Wenn der Mitte-Deutsche also zu mehr Vermögen kommen will, muss er somit nur daheim bleiben in den Ferien. Oder er macht Abenteuerurlaub in Germany. Es kann durchaus spannend sein, mit dem Deutschland-Ticket eine Reise anzutreten. Die Frage, ob man es per Zug innerhalb derselben Woche von Dortmund nach München schafft, kann schon einen gewissen Nervenkitzel hervorrufen. Natürlich wäre es denkbar, Versuche zu unternehmen, Österreicher und Italiener außerhalb des Oktoberfestes nach Deutschland zu locken. Das wird aber an politischer Unlust und bürokratischer Perfidie scheitern. Abgesehen davon: Was hilft es dem Deutschen im Urlaub, wenn die Leute vor Ort gar nicht da sind, weil sie Urlaub in Deutschland machen? Darum ist es gut, dass sich nach der Bundestagswahl wieder eine Koalition ergibt, die nach dem Prinzip „Kompromiss ist gleich Stillstand“ agiert. Dadurch wird nicht nur der Vermögensaufbau im Reich der Träume bleiben. Sondern auch jede Gelegenheit für Urlaub bei den Nachbarn genutzt. Das tut der deutschen Seele gut. Und dem italienischen Vermögen erst recht.
Bildung ist ein ewiges Stiefkind der Politik. Und das betrifft längst ganz Europa. Die regelmäßigen PISA-Studien gelten in bildungsnahen Kreisen folgerichtig längst als Barometer der europäischen Doofheit. Germany leistet sich lediglich den Luxus, das Bildungsniveau von Jahr zu Jahr so runter zu schrauben, dass von drei Abiturienten vier ein Einser-Abi haben. Dass dadurch haufenweise junge Leute die Universitäten fluten, die vom Lehrstoff hoffnungslos überfordert sind, tut da nichts zur Sache. Umso schöner ist es, wenn sich hie und da Oasen der Cleverness auftun bei der Jugend. Ein aktuelles Beispiel aus Italien illustriert recht schön, dass es schon noch ambitionierte Teenies gibt. Das Problem ist ja auch nicht die Jugend, sondern die Ignoranz der sogenannten Mächtigen. Vielleicht zieht es aber auch immer öfter gerade die Leute in die Politik, die Regieren als entspannte Alternative zur Realität ansehen. Oder aber deren eigene Bildung sie auch gar nicht für ein Dasein in der Realität qualifiziert.
Jedenfalls war wohl ein 15-Jähriger aus Cesena nicht mit seinem Bildungsstand unzufrieden, sondern mit seinen Noten. Was liegt da näher, als die Benotungshoheit in die eigene Hand zu nehmen? Also loggte er sich in die EDV des Bildungsministeriums in Rom ein und korrigierte zunächst nur seine Noten auf ein für ihn akzeptables Niveau. Der Bub scheint aber auch generell ein Händchen für Verhältnismäßigkeit zu haben. Denn im zweiten Schritt machte er sich auch über die Noten seiner Freunde her. Solidarität gehört als definitiv zu seinem Markenkern, was indirekt auch die Erziehungsmethoden seiner Eltern in ein günstiges Licht rückt. Darüber hinaus wollte er aber auch der Allgemeinheit von Nutzen sein. Da liegt es nahe, vom Kinderzimmer aus via PC die Schiffsrouten im Mittelmeer im Sinne der nautischen Sicherheit zu verändern. Aber wie so oft im Leben: Wenn es richtig effizient und/oder lustig wird, schieben Behörden dem Tatendrang einen Riegel vor. Was kann Deutschland aus dem Fall lernen, falls der Vertrag des Traumschiff-Helden Silbereisen verlängert werden soll? Der gute Florian sollte unbedingt ein Praktikum in Cesena machen. Und wenn er nebenbei auch noch bessere Schulnoten haben will, wird das sicher auch noch erledigt. Als Inflationsausgleich verdient schlussendlich jedes Abi vor 2010 eine Eins vor dem Komma.