donaukurier
Äpfel, Birnen und ein zufriedener Kanzler
Kolumne im Donaukurier, in der Mittelbayerischen Zeitung und der Passauer Neuen Presse vom 13.06.2024
Warum geht es in Ländern wie Frankreich und Deutschland rund seit der EU-Wahl? Weil die Wähler gelernt haben: Das Votum bei einer EU-Wahl ist nett, hat aber nicht die Durchschlagskraft wie bei Bundes- oder Landtagswahlen. Also machen die Wähler aus der EU-Wahl eine kleine Bundestagswahl. Hier werden also nicht Äpfel mit Birnen verwechselt, sondern ganz bewusst vertauscht. Die Reaktion der Regierungschefs in Frankreich und Deutschland hätte aber nicht unterschiedlicher ausfallen können. Emanuel Macron ruft sofort Neuwahlen aus. Das zeugt von nackter Panik. Olaf Scholz wollte am Wahlabend nicht mal einen Kommentar abgeben. Das zeugt von großer Souveränität. Denn erstens ist jetzt erst mal EM. Und zweitens schaut die Welt eh schon wieder ganz anders aus, wenn Deutschland Europameister wird und Scholz wie ein zufriedener Schlumpf (frei nach Söder) auf der Tribüne hanseatisch dezent jubelt.
Scholz weiß einfach: Man muss nicht alles gleich so ernst nehmen. Vor allem die Jugend hat ihm an der Wahlurne einen lustigen Streich gespielt. Bei den 16- bis 25-Jährigen holte die SPD nur neun Prozent. Aber junge Menschen ändern ja gern mal schnell ihre Meinung. So die Hoffnung der SPD. 28% der jungen Stimmen gingen an Kleinstparteien. Wenn nächsten Herbst das Duell Scholz gegen Merz lautet, tippt der Kanzler zuverlässig jetzt schon auf sich als Sieger. Für Scholz ist die Lage ganz simpel: Er war auf allen Plakaten drauf. Aber er stand nicht zur Wahl. Also tangiert ihn das miese Ergebnis auch nicht. Laut SPD-Generalsekretär Kühnert hat die SPD nämlich auf die richtigen Themen gesetzt. Nur wegen der Koalitionspartner in der Ampel sei das Votum für die Sozis nicht so toll ausgefallen. Diese ganze Argumentation hat durchaus etwas Esoterisches. Es schwingt immer ein bisschen mit: Schuld sind eher die anderen. Außerdem hat die SPD seit der Bundestagswahl die meisten Stimmen an die Nichtwähler verloren – und das bei einer Rekordbeteiligung bei einer EU-Wahl! Das heißt: Je mehr Leute wählen, umso mehr Nichtwähler produziert die SPD als gesundes Gegengewicht. Scholz` Marschroute lautet ab jetzt somit: 1. Lasst die Grünen sich selber zerlegen. 2. Den Merz mag eh keiner. Die 14 Prozent für die SPD sind für Scholz die Bestätigung seines Kurses. Denn paar Monate vor der letzten Bundestagswahl lag die SPD wo? Genau: Bei 14 Prozent.